Was mit Rose geschah
glaube, heute finde ich ohnehin nichts mehr heraus.
»Mein Vater war Zigeuner. Ein echter Zigeuner. Und er hat sein Leben lang gearbeitet.« Lächelnd stehe ich auf und stelle mein Glas auf den Tresen. Im Weggehen glaube ich ihn »Dreckszigeuner«murmeln zu hören, aber beschwören könnte ich es nicht.
Erst als ich Seviton verlasse, begreife ich, wie blöd ich gewesen bin. Niemand kannte die Bezeichnung Black Patch, weil Egypt Lane niemals so hieß.
Warum aber hat Tene gesagt, der Black Patch sei in Seviton? Derlei Ungereimtheiten sind es, die eine Rolle spielen. Man zwängt die Finger in einen Spalt und kann irgendwann das ganze Ding auseinanderstemmen. Entweder hat sich Tene geirrt oder er wollte mich auf eine falsche Fährte locken. Ein Versprecher oder eine Lüge. Jedenfalls geschieht zum ersten Mal in diesem Fall etwas Interessantes.
Ich hatte recht. Einige Tage später finde ich den echten Black Patch. Ich habe Lulu Janko noch einmal angerufen. Sie klang müde, als ich meinen Namen nannte, also fragte ich nur nach dem Stellplatz. »Ach«, erwiderte sie überrascht, »das ist doch außerhalb von … Moment, war es Watley? In der Nähe von Ely. Ja, da haben wir immer wieder mal angehalten. Ich glaube, das Land wurde vor einiger Zeit verkauft.«
Dann kam wieder die Entschuldigung, sie müsse zur Arbeit – diesmal um halb vier nachmittags –, und ich machte mir so meine Gedanken über ihre geheimnisvolle private Pflegestelle.
Heute Morgen kam Hen zu mir an den Schreibtisch, was er nur tut, wenn ihm etwas unangenehm ist; sein Schreibtisch steht nur ein paar Meter entfernt, und ich höre noch sehr gut.
»Neulich Abend bei uns … war doch nicht so schlimm, oder?«
»Nein.«
»Ich habe mich nur gefragt … na ja, Vanessa ist nett, oder? Wir dachten …«
»Fang bitte nicht damit an, okay?«
»Sieh mich nicht so an!«
»Ich sehe dich überhaupt nicht irgendwie an.«
»Wie … wie fandest du sie denn?«
»Du kannst deiner Frau ausrichten, dass ich sie sehr sympathisch fand, aber … sie ist nicht mein Typ.«
Hen war zu sehr Gentleman, um zu erwähnen, dass ich mit ihr geschlafen hatte, aber er wusste Bescheid. Das spürte ich.
Er trat mit seinem Schuh leicht gegen den Papierkorb. »Wir machen uns Sorgen um dich.«
»Das rührt mich.«
»Es ist über zwei Jahre her.«
»Ich weiß, wie lange es her ist.«
Ich schaute in mein Notizbuch und trank von meinem Kaffee, obwohl er kalt war. Hen rührte sich nicht.
»Ist noch was?«
Er nickte, ohne mir in die Augen zu sehen. »Es wird Zeit, dass du aufhörst, deiner Exfrau nachzuspionieren.«
Ich erstarrte, die Kaffeetasse auf halber Höhe.
Ich war doch so diskret gewesen. Wo hatte ich gepatzt? Ich konnte ihm nicht böse sein. Es war ja sein Job, Dinge zu bemerken.
»Sie ist nicht meine Exfrau.«
»Mein Gott, Ray …«
Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Jen und ich sind nur noch auf dem Papier Mann und Frau, und sie bittet mich seit Monaten, die Scheidungspapiere zu unterzeichnen. Besser gesagt, ihr Anwalt. Ich weiß nicht, warum ich es noch nicht getan habe.
»Du hast recht. Und ich habe … damit aufgehört.«
Immerhin schon seit einer Woche. Wurde es mir allmählich langweilig? War das normal?
»Ah … gut.«
»Hat sie mich gesehen?«
Hen schaute mich streng an.
»Du wirst Madeleine also bitten, mich in Ruhe zu lassen?«
»Solange du dich benimmst.«
»Ich glaube, ich habe jemanden kennengelernt.«
»Ehrlich? Wen denn?«
»Ich weiß nicht, ob etwas daraus wird …«
»Ist es Vanessa?«
»Ich habe dir doch gerade gesagt … nein! Es ist niemand, den du kennst. Also vielen Dank. Und jetzt geh zurück an deinen Schreibtisch und mach, was immer du da machst.« Ich wedelte spöttisch mit der Hand.
Hen grinste und setzte sich auf meine Schreibtischkante. »Und, wie war sie?«
»Wer?«
»Ach, komm schon … Du hast doch die schmutzige Tat begangen!«
Internat-Jungs. Die werden nie erwachsen.
Diesmal fahre ich in die Fens, Richtung Ely und Stowmarket – das eigenartige, flache Land durchbrochen von Kathedralen und Luftwaffenstützpunkten. In dieser Gegend vertreiben sie sich die Zeit damit, bizarre Namen für ihre Dörfer zu erfinden – ich komme durch Bruisingford, Shangles, Soberton. Schließlich finde ich das Dorf, das Lulu erwähnt hat, begebe mich ins Pub – echt viktorianisch statt Pseudo-Tudor – und stelle meine Fragen. Diesmal ist es einfach. Man verweist mich an einen älteren Herrn, der sich mit Heimatgeschichte auskennt. Er
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