Was nach dem koeniglichen Ball geschah
der Familie nur den Anschein wahren wollte. Sie hatten sich darauf geeinigt, vor den anderen weiterhin so zu tun, als wären sie frisch verliebt. Allerdings hatten sie seit ihrem Streit keinen Sex mehr gehabt. Oder miteinander gesprochen. Zumindest ersparte Anne sich die Peinlichkeit, ihrer Familie gestehen zu müssen, dass Sam und sie schon einen Monat nach ihrer Hochzeit ernste Probleme hatten.
Plötzlich erklang ein lautes Scheppern von der Bar, und alle sahen hin.
„Verzeihen Sie vielmals“, sagte Geoffrey und beugte sich herunter, um das Glas aufzuheben, das ihm aus der Hand gefallen war. Weil sie in der Nähe war, ging Anne zu ihm, um zu helfen. Dabei fiel ihr auf, wie seine Hände beim Zusammenkehren der Scherben zitterten. Sein Gesicht war kreidebleich.
Sie nahm seine Hand, die eiskalt war. „Geht es Ihnen gut?“
„Arthritis“, erwiderte er entschuldigend und entzog ihr sanft die Hand.
Sie half ihm beim Einschenken des Champagners, und schließlich stieß die Familie auf die erfreuliche Wendung in den Ermittlungen an.
„Ich habe eine großartige Idee“, sagte die Königin schließlich. „Ihr jungen Leute solltet pokern, schließlich ist heute Freitag.“
Fragend blickten sich alle an. Zwar war Freitag ihre Pokernacht, doch seit dem Tod des Königs hatten sie nicht mehr gespielt.
„Das könnten wir machen“, sagte Chris.
„Ich bin dabei“, meinte Aaron und wandte sich an Sam. „Spielst du auch?“
„Nicht mehr seit dem College, aber ich erinnere mich bestimmt wieder daran, wie es geht.“
Chris und Aaron witterten anscheinend leichte Beute und lächelten vielsagend.
„Ich bin auch dabei“, schloss Garrett sich an.
„Ich gehe lieber wieder nach unten ins Labor“, sagte Liv.
„Pokerst du nicht?“, fragte Sam sie.
„Wir lassen sie nicht mitspielen“, erklärte Aaron und lächelte seiner Frau zu. „Sie schummelt nämlich.“
Liv gab ihm einen spielerischen Schubs, und sie wurde rot. „Das stimmt nicht!“
„Sie zählt die Karten“, erläuterte Aaron.
„Nicht absichtlich“, meinte Liv zu Sam. „Ich habe einfach ein fotografisches Gedächtnis, wenn es um Zahlen geht.“
„Wie sieht es mit dir aus, Anne?“, fragte Chris. „Bist du dabei?“
Obwohl Anne normalerweise mit von der Partie war, fand sie es besser, Sam ein wenig Freiraum zu lassen. Vielleicht würde er ja seine Wut auf sie vergessen, wenn er mit ihren Brüdern entspannte und ein paar Drinks genoss. „Ich glaube nicht.“
„Möchtest du mir vielleicht helfen, die Drillinge bettfertig zu machen?“, schlug Melissa vor. „Zur Übung. Danach werden dir zwei Babys unkompliziert vorkommen.“
„Sehr gern.“
„Ich auch!“, rief Louisa aufgeregt.
„Wollten wir nicht einen Film schauen?“, wandte ihre Mutter ein.
„Stimmt. Klar, machen wir“, erwiderte Louisa lächelnd, doch Anne vermutete, dass sie viel lieber bei den Babys geholfen hätte.
Anne folgte Melissa ins Kinderzimmer.
„Wisst ihr schon, ob ihr in die Mastersuite ziehen wollt?“, erkundigte sich Anne.
„Ich weiß es nicht. Die Königin sollte weiterhin dort wohnen, finde ich.“
„Hast du vergessen, dass du mittlerweile die Königin bist?“ Als Chris König geworden war, war Melissa automatisch zur Königin ernannt worden, und die vormalige Amtsinhaberin trug den Titel Königinmutter, was allerdings keine Schmälerung ihrer Macht zur Folge hatte.
„Es ist so schwer zu begreifen“, meinte Melissa. „Vor drei Jahren habe ich noch nicht einmal gewusst, dass ich königlichen Blutes bin. Ich kann nicht leugnen, dass der größere Raum schon angenehm für uns wäre.“
Statt ins Kinderzimmer ging Melissa zur Tür, die in ihr Schlafzimmer führte, und öffnete sie.
Verwirrt blieb Anne stehen. „Ich habe gedacht …“
„Das Kindermädchen hat sie längst ins Bett gebracht. Ich wollte mit dir reden, ohne dass die anderen etwas davon mitbekommen.“ Sie machte eine einladende Geste.
Anne wurde plötzlich mulmig. War sie so leicht zu durchschauen, dass Melissa etwas bemerkt hatte? Oder hatte sie Annes und Sams Streit vergangene Nacht mitbekommen?
Sie setzten sich auf das Sofa am Fenster, und Anne hielt beinahe den Atem an. Was sollte sie sagen, falls Melissa nach Sam fragte? Sie wollte nicht lügen, hatte aber Sam zuliebe versprochen, niemandem etwas zu verraten, damit sein Job nicht gefährdet wurde.
„Ich wollte mit dir über Louisa sprechen.“
Erleichterung und Verwirrung überkamen Anne. „Louisa? Was hat sie denn
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