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Was Oma und Opa noch wussten

Was Oma und Opa noch wussten

Titel: Was Oma und Opa noch wussten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Ulfkotte
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fernen Ländern gab es höchstens im Kolonialwarenladen. Sie waren etwas ganz Besonderes. Heute beschweren sich Chefköche da- rüber, dass es immer schwieriger wird, etwas Außergewöhnliches zu kochen, weil die exotischsten Dinge nun für jeden zugänglich und in fast jedem Supermarkt erhältlich sind. Achten Sie einfach einmal bei Ihrem nächsten Einkauf darauf, aus welchen Ländern die Lebensmit- tel in den Regalen kommen. Vieles stammt garantiert nicht aus dem deutschsprachigen Raum. Das gilt inzwischen vor allem auch für die so beliebten Bioprodukte.
       Die Nachfrage nach Biolebensmitteln steigt in Deutschland so ra- sant, dass die deutschen Landwirte seit Jahren schon mit der Produk- tion nicht nachkommen. Jede zweite Bio-Möhre, jeder zweite Bio- apfel und sogar 80 Prozent der Biotomaten müssen importiert werden. In Deutschland gibt es nur 7,9 Prozent ökologische Anbau- fläche. Sie kann kaum noch ausgeweitet werden, weil die Flächen für Biokraftstoffe (Raps, Mais) benötigt werden. Rund zwei Drittel der Deutschen kaufen inzwischen regelmäßig Biolebensmittel. Und vier Fünftel kaufen vor allem ökologische Produkte aus der Region. Doch die sind bei näherem Hinschauen eben meist auch importiert und werden nur »in der Region« umgepackt.

    Wir sind umgeben von importierten Lebensmitteln, ohne die wir kaum noch leben könnten. Wir essen beispielsweise immer mehr im- portierten Reis anstelle von heimischem Getreide. Der Verbrauch an geschältem und geschliffenem Reis ist von 1,8 Kilogramm pro Kopf im Jahr 1973 auf fünf Kilogramm im Jahr 2008 gestiegen. Er liegt da- mit bereits über dem Pro-Kopf-Verbrauch an Hafer. Haferschleim war für unsere Vorfahren eine ganz normale Nahrung. Heute hat natürli- che und gesunde Haferschleimsuppe einen Ekelfaktor. Zugleich essen wir immer mehr Hartweizen. In den 1980er- und 1990er-Jahren lag der Getreideverbrauch pro Kopf zwischen 90 und 100 Kilogramm pro Jahr und stieg mit Beginn dieses Jahrhunderts auf 120 Kilogramm an. Die Ursachen der Zunahme des Pro-Kopf-Verbrauchs liegen im Trend zu mehr Fastfood wie Pizza, Döner oder Fladenbrot. Parallel dazu produzieren wir allerdings immer weniger Hartweizen, weil die An- bauflächen für Mais genutzt werden, aus dem dann Treibstoffe gewon- nen werden. Bei Hartweizen haben wir in Deutschland eine Selbstver- sorgung von nur noch fünf Prozent. Im Klartext: 95 Prozent dieser beliebten Lebensmittel müssen inzwischen importiert werden, zu- meist in fertiger Produktform wie Nudeln.
       Kaum jemand nimmt auch wahr, dass es in Deutschland zwar bis auf Stadtstaaten wie Hamburg, Bremen und Berlin große Anbauflä- chen für Getreide gibt, aber immer weniger Mühlen, in denen das Ge- treide auch gemahlen werden kann: Während 1950 in ganz Deutsch- land (West und Ost) noch rund 19.000 aktive Mühlen heimischen Weizen und Roggen verarbeiteten, wurden 1982 in ganz Deutschland nur noch knapp 2500 Mühlen gezählt. 1990 waren nur noch 686 Müh- len, 2000 noch 465, 2001 noch 361 und im Jahr 2009 noch 302. Inzwi- schen sind es weniger als 250 Mühlen. Es wurden also seit 1950 in Deutschland 98,7 Prozent aller Mühlen geschlossen. Zwar sind die übrig gebliebenen Mühlen nun Großbetriebe, die von der Kapazität her den Vergleich mit 1950 nicht zu scheuen brauchen, aber wir haben eine immer dezentralere Versorgung. Während es in der Krisenzeit des Zweiten Weltkrieges noch überall vor Ort Mühlen gab, müssen bei der nächsten Krise lange Transportwege zurückgelegt werden. Der Bäcker um die Ecke kann heute ohne große Zentralmühlen kein Brot mehr backen, auch wenn das Getreide in großen Mengen beim Bau- ern um die Ecke lagert. Acht Prozent der übrig gebliebenen 250 Müh- len vermählen heute 63 Prozent des heimischen Getreides: Wir sind jetzt abhängig von zwanzig Großmühlen. Und weil der Konzentrati- onsprozess auch in dieser Branche immer weiter fortschreitet, werden es immer weniger - und nicht mehr. Welche Folgen das bei einer ernsthaften Krise hat, muss man nicht näher erläutern. In Hamburg, Bremen und Berlin gibt es schon heute keine Getreidemühle mehr, in Schleswig-Holstein nur noch sechs und in Sachsen-Anhalt nur noch fünf Mühlen. Am besten versorgt sind Bayern mit (noch) 82 und Ba- den-Württemberg mit (noch) 75 Mühlen.
       Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte sich jede Region im deutschsprachigen Raum im Notfall selbst mit heimischen Lebens- mitteln versorgen. Doch unsere Landwirtschaft hat seither einen ge-

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