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Was Paare stark macht

Was Paare stark macht

Titel: Was Paare stark macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Braendli
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steckt, als wir auf den ersten Blick vermuten. Das vergessene Jubiläum wird plötzlich zum Sinnbild dafür, dass der Partner zu wenig für die Beziehung tut. Der Zahnpastaspritzer und die herumstehende Teetasse werden zu Symbolen dafür, dass der Partner die Anstrengungen des anderen nicht wahrnimmt, dessen Person nicht wertschätzt. Damit gewinnt das Problem eine neue Dimension. Es handelt sich nicht mehr um triviale Kleinigkeiten, sondern um substanzielle Dinge, die einem zusetzen.
    Erst wenn Sie gefühlsmässig herausarbeiten, weshalb eine bestimmte Verhaltensweise des Partners Sie so hart trifft, werden Sie das Problem an der Wurzel packen können. Dabei geht es in aller Regel nicht um ein Sachproblem (z. B. den Zahnpastaspritzer auf dem Spiegel), sondern um die dahinterliegenden Gefühle. Sie fühlen sich vielleicht verletzt durch die mangelnde Achtsamkeit und Sorgfalt des Partners, durch sein Ignorieren Ihrer täglichen Bemühungen für ihn und die Familie, durch seine Dominanz und Rücksichtslosigkeit.
    Karin…
    …hat sich für die Zubereitung des Abendessens heute richtig viel Zeit genommen. Sie hat ein neues Rezept herausgesucht, ist zum Delikatessenladen gefahren und hat den Tisch hübsch dekoriert. Ihr Mann Marcel kommt nach Hause und ist aufgedreht, weil er sich auf die Übertragung des Fussballmatches freut. Er isst gutgelaunt, aber schnell und einsilbig, und er scheint Karins Bemühungen nicht wahrzunehmen, geschweige denn zu honorieren. Karin schaut zuerst perplex und dann zunehmend wütend zu, wie Marcel dasaufwendig und liebevoll zubereitete Gericht verschlingt. Als ihr Mann vom Tisch aufsteht und auch noch eine Chipstüte mit vor den Fernseher nehmen will, eskaliert die Situation. Karin knallt lautstark das Besteck auf den Teller und schnauzt sarkastisch: «Vielen Dank für die Würdigung des Essens. Dir ist sowieso völlig egal, was ich hier zu Hause mache. Aber ja, sich für den Herrn Mühe zu geben, das ist sehr dankbar.» Danach verschwindet sie enttäuscht im Nebenzimmer und schlägt die Türe zu. Marcel fällt aus allen Wolken und bleibt mit schlechtem Gewissen zurück. Er macht frustriert und allein den Abwasch und ist genervt, weil er deshalb den Anpfiff des Spiels verpasst. «Was soll das Theater? Immer dieses Überreagieren wegen Kleinigkeiten!», ruft er in den Raum. Doch schliesslich ist es ihm wichtiger, das Fussballspiel nicht zu verpassen als mit Karin zu reden und zu klären, weshalb sie denn so reagiert hat.
    Karins Ärger und ihre Enttäuschung sind verständlich. Sie hatte sich besondere Mühe gegeben, ein spezielles Abendessen gekocht, den Tisch schön hergerichtet. Sie wollte eine gemütliche Atmosphäre schaffen und ihren Mann verwöhnen. Doch dieser beachtet all das nicht. Aus dem kurzen Streit gehen beide als Verlierer hervor: Karin fühlt sich unverstanden und übergangen; Marcel seinerseits versteht nicht, wie er in den Schlamassel geraten ist, und ärgert sich, weil jetzt auch sein Fussballabend verdorben ist.
    Was hätten die beiden anders machen können ?
    Karin hätte beispielsweise versuchen können, noch während des Essens zu intervenieren und das, was sie störte, direkt anzusprechen: «Ich habe viel Zeit und Energie in die Vorbereitung dieses Essens gesteckt. Ich wollte dich verwöhnen, dir einen schönen Abend bereiten. Ich habe extra ein neues Rezept gesucht und speziell dafür eingekauft. Das war alles sehr aufwendig, doch das war es mir wert, weil ich wieder einmal einen stimmungsvollen Akzent setzen wollte. Jetzt habe ich das Gefühl, dass du es überhaupt nicht wahrnimmst und schätzt. Du verschlingst das feine Essen hastig und stumm und scheinst nicht zu bemerken, dass ich eine spezielle Atmosphäre schaffen wollte. Das macht mich traurig und ich frage mich, wie es mit uns weitergehen soll.»
    Manchmal ist man allerdings nicht schlagfertig genug, im Moment selber richtig und überlegt zu reagieren. Karin hätte den Vorfall deshalb auch in Ruhe nach dem Fussballspiel oder am nächsten Tag zur Sprache bringen können: «Es hat mich verletzt, dass du gestern mir und dem liebevoll zubereiteten Essen keine Beachtung geschenkt hast. Ich sorge mich, wie es mit uns weitergeht, wenn wir uns so aus den Augen verlieren. Wir haben kaum noch Zeit füreinander und merken nicht einmal mehr, wenn wir einander etwas Gutes tun wollen.»
    Wenn Karin so reagiert, kann Marcel viel einfacher und auch gefühlsmässig nachvollziehen, was in jener Situation schiefgegangen ist. Er

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