Was Paare stark macht
die Situation Sie stärker als erwartet beschäftigt, dass Sie Ihren Stress in die Partnerschaft hineintragen und über längere Zeit an der Situation zu beissen haben.
Ärger, der bald verfliegt, muss nicht zu Tode diskutiert werden. Wenn Sie aber etwas Negatives erleben, das Sie kaum mehr loslässt, sollten Sie das klären.
Wird ein wunder Punkt getroffen, beschäftigt einen ein Vorfall über Stunden, Tage, Wochen oder Monate. Die emotionale Reaktion braucht dabei nicht unbedingt heftig und intensiv zu sein, sondern kann auch leise und auf den ersten Blick unspektakulär erfolgen. Sie kann schwelend sein, einen schlapp und bedrückt machen, einem die Freude und Energie rauben. Dass solche Stresserfahrungen zur Beziehungsprobe werden können, hängt mit der beschriebenen Egozentrik unter Stress, der schlechten Laune, Gereiztheit oder allgemeinen Negativität zusammen – und vor allem damit, dass einen der Partner nicht versteht. Nicht verstehen kann – ausser man würde ihm mitteilen, weshalb man sich so fühlt, doch gerade das weiss man häufig selber nicht.
Susanne…
…und ihr Partner Eric sind beruflich sehr engagiert. Wenn die beiden endlich einen gemeinsamen freien Abend haben, erledigt Susanne zunächst die Hausarbeit. Ihr Freund fühlt sich zurückgestossen, da dies auf Kosten der wertvollen Paarzeit geht, und hat das Gefühl, dass seine Partnerin den Abend eigentlich gar nicht mit ihm verbringen will. Er ist frustriert und zieht sich mürrisch in den Bastelkeller zurück. Susanne wiederum leidet darunter, dass er sie zurückweist und keine Lust mehr hat, mit ihr etwas zu unternehmen, sobald sie mit der Hausarbeit fertig ist. So streiten die beiden an ihren freien Abenden immer öfter.
Vermutlich würden viele Männer in dieser Situation so reagieren wie Eric und sich zurückgestossen fühlen, sich grollend zurückziehen und schliesslich ihrem Frust freien Lauf lassen. Denn Susannes Verhalten scheint tatsächlich einer Zurückweisung gleichzukommen.
Sie wiederum ist enttäuscht und niedergeschlagen, wenn er sich zurückzieht und sie beschimpft. Ein Blick in die Biografie von Susanne zeigt die Hintergründe auf: Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf undmusste nach dem frühen Tod der Eltern in ihrer Kindheit mehrmals ihre engsten Bezugspersonen wechseln. Sie wohnte bei den Grosseltern, bei Verwandten, in Heimen. So fand sie kein stabiles Zuhause, in dem sie emotionale Nähe, Liebe und Geborgenheit hätte erfahren können. Sie erlebte nie, dass sie bedingungslos geliebt wurde, sondern bekam immer nur dann Zuneigung, wenn sie sich nützlich gemacht hatte.
Susanne lernte: «Wenn ich arbeite und helfe, dann bekomme ich wenigstens ein bisschen Zuwendung.» Diese Einsicht wurde ihr Schema. Sobald sie nun als Erwachsene Zeit für Zweisamkeit mit ihrem Partner gehabt hätte – welche sie sich auch wünschte –, schaltete sich automatisch dieses Schema ein. Susanne konnte sich die gemeinsame Zeit erst gönnen, nachdem sie sich die Zuneigung ihres Partners «verdient» hatte, indem sie sich im Haushalt nützlich gemacht hatte. Doch statt mit Zuneigung reagierte Eric mit Rückzug und Vorwürfen, sodass sich wiederum Susanne zurückgestossen und unverstanden fühlte. Beide wurden ärgerlich – und stritten um etwas, um das es im Grunde gar nicht ging.
Für Susanne und ihren Partner Eric wäre es wichtig, das Muster hinter den wiederkehrenden Streitereien zu erkennen und die Geschichte, die dahintersteckt, gemeinsam zu erarbeiten. Denn wie oben beschrieben, ist die äussere Konfliktsituation häufig nicht das wirkliche Problem, sondern nur Ausdruck eines aktivierten Schemas.
Schemas überwinden
Was bedeutet dies nun für den Alltag? Wie lässt sich ein anderer Umgang mit solchen Situationen finden? Zunächst: Anstatt gleich Unzulänglichkeiten, Boshaftigkeit oder einen schlechten Charakter seitens des Partners zu vermuten, hilft es nachzufragen: «Was ist mit dir los?», «Warum reagierst du so?»
Kommt Ihr Partner zum Beispiel gereizt oder verschlossen nach Hause, fragen Sie nach, warum er schlecht drauf ist. Beziehen Sie seine schlechte Laune nicht gleich auf sich selbst, denken Sie nicht reflexartig, dass er Sie nicht mehr liebt und nicht mehrgern nach Hause kommt. Fragen Sie nach, interessieren Sie sich: So werden Sie besser verstehen, was geschehen ist und warum es ihm schlecht geht.
Nachfragen ermöglicht eine fruchtbare Auseinandersetzung mit der Stresssituation. Das erlaubt Ihnen, das
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