Was Paare stark macht
schön nerven. Wie aber findet man heraus, wann Toleranz angezeigt ist – und wann man Stopp sagen soll und darf?
Was es bedeutet, tolerant zu sein
Toleranz und tolerant sein werden oft missverstanden: Für viele bedeutet das, nachzugeben – egal, um welchen Preis. Hauptsache, der Friede bleibt gewahrt. Aber Toleranz ist nicht einfach nur ein grosszügiges Abweichen von einer Idealvorstellung. Und schon gar keine passive, märtyrerhafte Hingabe an ein ungewolltes Schicksal oder blindes Nachgeben. Konfliktvermeidung hat mit Toleranz nicht das Geringste zu tun. Tolerant zu sein heisst vielmehr, bei auseinandergehenden Haltungen und unterschiedlichen Bedürfnissen kompromissbereit und konstruktiv nach einer Lösung zu suchen.
Toleranz ist der bewusste Entscheid, einzulenken, Kompromisse zu finden oder eine Sache zu akzeptieren, nachdem man ihren Hintergrund verstanden hat.
Tolerant zu sein wird gemeinhin als erstrebenswerte Eigenschaft angesehen – die meisten von uns möchten als tolerante und grosszügige Menschen gelten. Das kann schon mal dazu führen, dass man allzu häufig klein beigibt – oder dass man seine eigenen Bedürfnisse in unangemessener Weiseden Ansprüchen des Partners unterordnet. Toleranz in einer Partnerschaft sollte jedoch keine einseitige Angelegenheit sein. Es geht im Gegenteil um ein wechselseitiges, faires Aufeinander-Eingehen, um ein Abgleichen der eigenen Bedürfnisse mit denen des Partners. Im Falle von unterschiedlichen Anliegen gilt es, Lösungen zu finden, die für beide tragfähig und akzeptabel sind. Ein tolerantes, kompromissbereites Klima ist eine wesentliche Grundlage für eine konstruktive Beziehung.
Eine Herzensangelegenheit
Echte Toleranz kommt von Herzen – auch wenn man allzu häufig meint, sie müsse rational begründet sein. So möchten wir in einer bestimmten Situation zum Beispiel verstehen, weshalb der Vorschlag des Partners besser sein soll oder warum seine Bedürfnisse wichtiger sein sollen als unsere eigenen. Doch darum geht es gar nicht – denn mit dem Verstand werden wir nie wirklich entscheiden können, wessen Bedürfnisse richtiger oder wichtiger sind. Beide Partner haben ihre Ansichten, ihre Wünsche und Ziele, und es gibt kein Schiedsgericht, welches darüber urteilen könnte, wer recht hat. Recht haben beide. Daher können wahre Kompromisse nur über einen emotionalen Zugang gefunden werden. Während wir uns auf der Verstandesebene häufig in schöngeistige Debatten und Machtkämpfe verstricken, haben wir auf der Gefühlsebene meist eine grosszügigere Haltung. Wenn wir gefühlsmässig verstehen, weshalb dem Partner etwas wichtig ist, dann werden wir auch eher zu einem Kompromiss bereit sein.
Dies bedeutet, dass Sie nicht versuchen müssen, Ihren Partner verbal von Ihrer Ansicht zu überzeugen. Sondern dass Sie ihm mitteilen, weshalb Sie etwas emotional ganz elementar brauchen.
Wenn es um unterschiedliche Bedürfnisse geht, ist jede Partnerschaft eine Gratwanderung zwischen Egoismus (Ich-Zentrierung) und Partnerzentrierung oder Paarzentrierung. Es geht weder darum, immer nur die Bedürfnisse des Partners zu befriedigen, noch darum, stets die eigenen Wünsche erfüllt zu bekommen. Toleranz macht es möglich, den Blick für beide zu wahren und unnötige Reibereien zu minimieren.
Keine grosse Sache? Und es stört mich doch
Es ist doch nur eine Kleinigkeit… Das Eselsohr im Buch, das man dem Partner ausgeliehen hat, die liegen gelassene PET-Flasche im Auto, die «falsch» ausgedrückte Senftube, die Spritzer auf dem Spiegel nach demZähneputzen. Und trotzdem können diese banalen Dinge Missstimmungen oder sogar Streitereien von beeindruckendem Ausmass auslösen. Doch warum genau nerven einen Dinge, die an und für sich trivial sind?
Schauen Sie hinter die Fassade, wenn eine Kleinigkeit immer wieder Streit auslöst. Denn wenn etwas nachhaltig stört, steckt meist mehr dahinter.
Zugegeben, es hat etwas Kleinliches, wenn man nicht darüber hinwegsehen kann, dass der Partner die Senftube von der Mitte und nicht vom Ende her ausdrückt. Die meisten Leute würden wohl an die Toleranz der Betroffenen appellieren. Tatsächlich wird es aber in den wenigsten Fällen wirklich um die oberflächlichen Dinge gehen. Denn gestritten wird letztlich nicht über den Zahnpastaspritzer oder über das stehen gelassene Glas. Sondern darüber, wofür diese Dinge stehen: zum Beispiel für die Missachtung eines Grundbedürfnisses einer Person (mehr dazu unten).
Daher gilt:
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