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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Kerikeri oder Little River aber nicht schlecht, wenn die neue Nachbarin mit dem komischen Namen und dem zwanghaften Händedruck statt Würstchen im Schlafrock einen leeren Teller mitbrachte. Nun, es könnte doch durchaus sein, dass die Kiwis an Geschirr sparen, oder?
    Solche historisch überlieferten Peinlichkeiten passieren mir nicht. Immigrieren für Idioten – das war gestern und anschließend in allen Auswandererdokus. Ich backe Kürbismuffins mit Feta: weltläufige Zutaten in einfacher Aufmachung, weder zu edel noch zu exotisch. Niemanden verschrecken heißt meine neue Devise. Käsespätzle heb ich mir fürs nächste Mal auf.
    Das Schöne an Neuseeland ist, wie der Name schon sagt, dass alles so neu ist. Wo man kulinarisch so lange abgeschieden war, da wird sich noch richtig gefreut, wenn es unbekannte Lebensmittel ins Land schaffen. Das sind die letzten Zuckungen des cultural cringe. In einem Land, das seit Menschengedenken nur zwei Sorten Käse kannte – Cheddar mild und würzig –, ist Parmesan daher eine Evolutionsstufe. Selbst der simpelste Gouda erstrahlt in nie gekanntem Glanz und lässt sich neben Salami, Kapern und Olivenöl als Delikatesse feiern. Das ist alles sehr erfreulich und verträgt sich bestens mit dem hervorragenden Lamm, Lachs und anderen Leckereien aus heimischer Produktion. Aber bald kann man zwischen Kataia und Invergarcill nichts Essbares mehr kaufen, das nicht mit sonnengetrockneten Tomaten veredelt wurde. Da kann ich mit meinen mediterranen Muffins sicher mithalten, auch wenn die Dinger etwas trocken geraten sind.
    Tibetische Gebetsfahnen wehen von der Veranda vor Judy und Nicks Holzhaus. Ich kenne garantiert niemanden dort drinnen. Was nicht verkehrt ist, wenn man zum ersten Mal »Hare Krishna, Hare Rama« schmettert. Mit meinem Muffinteller in der Hand klopfe ich an die Tür. Die fremde Frau, die öffnet, umarmt mich so lange, dass meine Muffins fast vom Teller rutschen. »Hi, ich bin Joke!«
    Ich versinke in üppigem Fleisch und Moschusaroma.
    »Ach – Yoko, wie Yoko Ono?«
    Sie sieht wie das diametrale Gegenstück zu der Lennon-Witwe aus: groß, kräftig und weizenblond.
    »Nein, J-o-k-e, wie der Witz. Ich komme aus Holland.«
    Das Wohnzimmer ist dunkel, es brennen nur Kerzen. Auf dem Kaminsims liegen Kristalle, daneben steht eine kleine Buddhafigur. Räucherstäbchen glimmen. Judy und Nick sitzen auf dem Boden zwischen zwei Gestalten, die nach Askese und Heilfasten aussehen. Liam, der kampfsporterprobte Zen-Meister, ist auch da. Und daneben sitzt Eva aus dem Einwanderungskurs in einem ›Lord of the Rings‹-T-Shirt. Was für eine Überraschung. Den Deutschen kann man nicht entkommen. Der Kolumnist der Sonntagszeitung hatte doch recht.
    »Bist du auch Vegetarierin?«, fragt sie. Ihr Lächeln bringt die Sommersprossen in Bewegung. Vielleicht verbindet gemeinsamer kulinarischer Glaube noch stärker als der Kölner Karneval.
    »Äh, nein, nur Nachbarin.«
    »Ach so. Aber immerhin chantest du mit uns, wie schön.«
    Sie ist wirklich nett. Ich hoffe, ich muss sie nicht enttäuschen.
    »Ich … ich bin zum ersten Mal dabei.«
    Eine Frau mit Indianerzöpfen und vielen Silberringen betritt den Raum. Etwas Seidenes in Meeresfarben raschelt um ihre Hüften. Judy rutscht zur Seite und macht ihr Platz. Die anderen werden still. Das muss Ashana sein, die Yoga-Queen von Lyttelton. Sie gibt einmal im Jahr geheimnisumwitterte Tantra-Workshops in Fidschi, bei denen es – je nachdem, ob man Nick glaubt oder Judy – zu Massentrennungen oder Massenorgien kommt. In beiden Fällen ist Ashana mit ihrer Ganzkörperarbeit involviert. »Ashana hat starke Energie«, hat mir Stefan / o, der Friseur, vorgeschwärmt.
    Vor dem Kamin haben Judy und Nick eine Tischdecke auf dem Boden ausgebreitet. Ich stelle meinen Teller ab und setze mich neben Eva und Liam in den Kreis. Wir fassen uns an den Händen. Alle schließen die Augen.
    »Danke für dieses Essen«, höre ich Ashana sagen. Sie ist wohl so was wie die Zeremonienmeisterin. »Für die, die es wachsen ließen und es mit Liebe zubereitet haben. Für die kosmische Kraft, die darin steckt. Danke.«
    Muss ich jetzt »Om« statt »Amen« sagen? Wir öffnen wieder die Augen, schweigen uns an und lächeln. Ich lasse die Hände los und greife beherzt zu. Einen Schlag Curryreis, einen Haufen Salat, einen Löffel Kichererbsen – was das ebenerdige Buffet halt hergibt. Die anderen sind noch nicht so weit. Erst mal wird inspiziert. Meine Muffins sind im

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