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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Visier.
    »Ist da Tofu drin oder Käse?«, fragt mich die Holländerin, die mich vorhin an der Tür fast erdrückt hat.
    »Griechischer Feta«, antworte ich ahnungslos. Sie rückt mitsamt ihrer Tüchermasse deutlich von mir und meinem Gebäck ab. Kein guter Start. Ashana hat einen meiner Muffins auf ihrem Teller. Sie bricht ein Stück ab und prokelt den Schafskäse heraus, als ob er Schimmel sei. Dann betrachtet sie den bröckeligen Rest in ihrer Hand.
    »Hast du Eier verwendet?« Langsam kapiere ich, was hier auf dem Spiel steht.
    »Ja, von frei laufenden Hühnern«, sage ich. Die Schale war braun – ob das zusätzlich zählt, in einem bikulturellen Land?
    »Glutenfreies Mehl?«, fragt sie. Ich nicke. Von wegen. Ashana guckt, als ob sie mich durchschaut hätte.
    »Und welche Milch ist drin?«, fragt sie.
    Ihr Lächeln hat jetzt Kühlschranktemperatur.
    »Auch bio«, versichere ich. Dennoch reingefallen. Es hätte natürlich Sojamilch sein müssen. Ashana frostlächelt weiter. Das Stück Muffin lässt sie auf den Teller plumpsen, als ob es Asbest sei. Ihr Interesse an mir ist erloschen.
    Ich kaue und lausche den anderen. ›Workshop‹ und ›Heilen‹ höre ich zwischen den Bissen heraus. Nick lehnt sich zu mir herüber.
    »Na, vermisst du nicht Bier und Sauerkraut?«
    Buddha sei Dank – jemand spricht mit mir. Erst jetzt bemerke ich, wie viele Lachfältchen Nick hat. Sein Jesusbart ist unten zusammengezwirbelt.
    »Ich vermisse vor allem Lakritze«, sage ich. »Eine alte Sucht.«
    Er nickt mir freundlich zu. Dann nehme ich mir ein Herz.
    »Was machst du eigentlich, ähm, beruflich?« Es klingt so indiskret, wie einen Priester auszuhorchen, ob er auf kleine Jungs steht.
    »Ach, ich bau nur so Sachen«, sagt er. Jetzt ist es mir wirklich peinlich. Womöglich macht er Laubsägearbeiten. Als Langzeitarbeitsloser.
    »Er entwirft Spezialzelte für die Antarktis«, erklärt Judy und lehnt sich auch zu mir hin. »Nick geht als Ingenieur mit auf die großen Expeditionen. Gerade wurde ja das Eis aufgebohrt, weißt du, dieses Milliardenprojekt.«
    »Wow.« Edmund Hillary, der Erstbesteiger des Mount Everests, bezeichnete sich auch immer nur als Bienenzüchter. »Wie viele Zelte hast du denn schon gebaut?«
    »Ach, nur’n paar.« Er taucht eine Selleriestange in Hummus.
    »Über fünfhundert«, sagt Judy. »Im Dezember geht’s wieder los. Die Hütten von Scott und Shackleton werden gerade renoviert. Dann ist auch das Baby da.«
    Nick reibt sanft Judys runden Bauch. Eva reicht mir eine aufgeschnittene Persimone zum Probieren. Ashana erklärt Liam, dass sie vegansexuell ist. Intimer Kontakt nur mit anderen Veganern.
    »Du bist, was du isst. Wenn du Fleisch konsumierst, bist du ein Friedhof für Tiere. Stell dir mal vor, wie das in alle Körperflüssigkeiten geht.«
    Ihr Lächeln für Liam ist wieder ganz Tantra. Ich glaube, ich bin satt.
    Die holländische Drückerin mit der Käseaversion hebt den Deckel von einer Ofenform ab.
    »Nachtisch für später!«, zwitschert sie, und eine Wolke aus ihrem Moschusgeruch und warmem Apfelaroma aus der Schüssel wabert herüber. Zu dem Auflauf hat sie eine Vanillesoße gemacht. Sie rattert die Zutaten herunter: Pfeilwurzelmehl, Reismilch, Agavensirup.
    »Ohne Milchprodukte und Zucker!«
    Ihre Augen glänzen in froher Erwartung, als ob sie auf Lob wartet. Ashana schenkt ihr ein Lächeln. Auch die anderen nicken anerkennend. Ich spüre einen Stich von Eifersucht. Italienisches Flair ist doch nicht alles. Meine Muffins werden trotz Trendzutaten verschmäht. Judy hat als Einzige einen verdrückt, aber sie ist schließlich schwanger und ständig hungrig. Irgendwas muss passieren, sonst versagt mir nachher beim Singen vor gebrochenem Selbstbewusstsein die Stimme. Eva stößt mich leicht mit dem Ellbogen an.
    »So viel gute Energie um uns herum, was? Nach so einer Community musst du woanders lange suchen.«
    Ich mache ihr ein Kompliment für ihren Curryreis, in dem ein Löffel mit grünem Plastik-Tiki als Stiel steckt.
    »Ist aus der Dose«, raunt sie mir zu. »Ich kann nicht kochen.« Sie wird mir noch richtig sympathisch.
    Ashana reicht einen handgetöpferten Teller mit sechs graubraunen Fladen herum. Sie sehen wie die Innenteile von Hamburgern aus, die zu lange in der Sonne gelegen haben. Ich traue mich nicht zu fragen, ob die Jammerlappen aus Grünkern oder Quinoa sind.
    »Nimm dir einen«, sagt sie mit ätherischer Stimme, aber schaut dabei an mir vorbei. Das Gefühl einer kläglichen,

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