Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
das?«
Wir schütteln den Kopf. Otto hängt an seinen Lippen. Unseren Freund verehrt er fast so sehr wie Michel aus der Suppenschüssel.
»Okay. Hört zu. Das Loch im Huhn mit Popcornmais ausstopfen, mit dem Halsende nach vorne in den heißen Ofen schieben und auf das Knacken des Popcorns warten.« Er schaut mich triumphierend unter seiner nassen Mähne an. »Wenn der Hintern des Huhns explodiert, die Ofentür aufspringt und das Huhn durch die Küche fliegt, ist es gar.«
Jetzt ist Lukas wieder wach.
»Habt ihr das mitbekommen von dem Mann in South Auckland, der seinen Pitbull zum Grillen in den Umu im Garten gelegt hat?«
Ein Umu ist ein polynesischer Erdofen. Ich habe die Meldung auch gelesen. Als der Tierschutzverein anrückte, war der Hund sauber ausgenommen und bereits etwas angekokelt. Getötet worden war er ordentlich mit einem Schlag auf den Kopf und einem Schnitt durch die Kehle.
»Das ist doch ganz human«, wirft Baxter ein. »So killt man halt alte Köter – ratzfatz. Frag mal einen Bauern.«
Der Hundekoch verstand die ganze Aufregung auch nicht. Er kommt nämlich aus Tonga, und dort ist Hund eine Delikatesse. Sein Pitbull musste dran glauben, weil er »zu mager und unkontrollierbar« geworden sei.
»Das wirft natürlich ethische Fragen auf«, sage ich. »Was ist, wenn die Frau des Tonganers zu mager und zu unkontrollierbar wird?«
»Und legt sie sich dann vor der Exekution in ihre eigene Grillmarinade?«, überlegt Baxter.
»Neuseeland ist bikulturell und stolz darauf«, sagt Lukas. »Da sollte der Austausch der Kulturen doch wechselseitig sein.«
Er klingt, als ob er gerade im Einwanderungskurs gewesen wäre.
»Recht hast du. Es darf nicht damit aufhören, dass sich Südseeinsulaner westlichen Bräuchen anpassen«, stimme ich zu. »Nein, wir Pakeha müssen uns der Küche der polynesischen Einwanderer öffnen.« Wenn mich Eva jetzt hören könnte!
Jakob hört auf, Steine zu flitschen, und setzt sich neben mich auf die Decke.
»Also mehr Pitbulls auf den Grill«, sagt er. Wie schön, dass die bikulturelle Erziehung in der Schule so schnell gegriffen hat. »Dann verschwinden auch all die blöden Kampfhunde von der Straße.«
Baxter gluckst vor sich hin.
»Wisst ihr was«, sagt er, »ihr müsst unbedingt zum Wildfoods Festival nach Hokitika. Da gibt’s zwar keine Pitbulls, aber Hammelhoden vom Grill. Nicht polynesisch, sondern westlich. Also, westlicher geht’s nicht mehr. West Coast.«
Ich habe Gummistiefel, Buschmesser und Insektenspray im Kofferraum. Das Reisegepäck für meine Reportage lässt nur einen Rückschluss zu, der auf meine Unkultiviertheit schließen lässt: Westküste, wir kommen. Eine Feinschmeckerzeitschrift hat mir den Auftrag erteilt, vom Wildfoods Festival zu berichten. Lukas und Otto sind dabei, Jakob ist auf Klassenfahrt. Den Fotografen aus Auckland treffe ich erst in Hokitika. Baxter muss leider Jägis Backstube fertig kriegen und arbeitet das Wochenende durch – eigentlich unerhört in diesem Freizeitland. Ich frage auch Claude aus dem Café, aber sie winkt entsetzt ab.
»Danke, Sweetheart, aber der beschränkte Genpool von Goldgräbern und Wildschweinjägern fasziniert mich nicht so sehr wie dich. Weißt du, was man in Westport unter einem Drei-Gänge-Menü versteht?« Sie trocknet eine Tasse ab und grinst. »Ein Pie und zwei Bier.«
»Jetzt klingst du wie ein Jafa«, stichele ich zurück. Jafa ist die Abkürzung für ›Just another fucking Aucklander‹. »Ich mag’s halt gerne ungehobelt, rückständig und primitiv.« Dabei fällt mir ein, dass ich noch immer nicht nachgeschaut habe, wer eigentlich Theo Schoon ist.
»Du verklärst die Natürlichkeit dieser Leute, Anke.« Zumindest Claude kann meinen Namen so aussprechen, dass er nicht wie eine chinesische Foltermethode klingt. »Die Coaster haben nicht deine Sentimentalität für Flora und Fauna. Deren Vorfahren waren Pioniere. Natur ist dort drüben etwas, was man schießen, fischen, abholzen oder überfahren kann. Die wollen lieber Kohle abbauen, als Bäume zu erhalten. Die brauchen Geld.«
»Komm, die Natur an der West Coast ist doch einzigartig. Keine Promenaden und Hotels, sondern wilde Strände, Wasserfälle, Höhlen …«
So schnell gebe ich nicht auf.
»Und Sandfliegen«, sagt Claude und verzieht das Gesicht. »Viel Spaß.«
»Die Sandfliegen kommen doch laut einer Legende der Maori von den Göttern. Damit nicht so viele Menschen die schönsten Flecken zerstören.«
Da habe ich aber etwas
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