Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
lässt es sich wählen: Latte pur, mit Zucker oder mit Kakao. Er drückt. Es zischt und blubbert.
»So einfach!«
Instantkaffeearoma steigt mir in die Nase. Gut, dass Claude das nicht mitbekommt. Lukas blättert am Stehtisch durch das Sortiment an Fachzeitschriften, das dort für die Gäste ausliegt. ›New Zealand Logger‹, das Heft für den professionellen Baumfäller, fasziniert auch Otto mit seinem Aufgebot an Baggern, Schleppern und Kettensägen. Ich greife mir ›More-Pork‹, das Zentralorgan für passionierte Wildschweinjäger. Die Titelstory von ›More-Pork‹ ist spektakulär, wenn auch thematisch eng an den Rest des Heftes angelehnt. Mann, Kumpel und Hund fahren in die Wildnis, kriechen zwei Tage lang durchs Dickicht, sauen sich ein, stöbern ein Wildschwein auf, knallen es ab und schleppen es auf dem Rücken zurück zum Jeep. Letzteres kann als Leistung gar nicht genug hervorgehoben werden, denn die Viecher sind gut und gerne hundert Kilo schwer. Das passt in keinen Rucksack. Das Cover von ›More-Pork‹ zeigt einen Wildschweinjäger in Baumfällerhemd, der ein blutiges Borstenvieh Huckepack trägt. Männer wie er sind für immer gegen Verweichlichung und Vegetarismus gefeit. Ich lese Lukas vor, was der Titelheld berichtet: »›Wir rannten wie ein paar Rodeo-Bullen in die Richtung, aus der das Kläffen kam. Keine Zeit verlieren – in dieser Schlacht wurde jeder gebraucht!‹«
Ich schlage das Heft zu und grinse. Lukas lächelt zurück. Aber eher ertappt.
»Würde mir auch mal Spaß machen. Ehrlich.«
»Was – auf die Jagd gehen? Etwa … schießen?«
Er nickt, halb entschuldigend.
»Baxter redet immer davon. Sein Bruder will uns irgendwann mal mitnehmen.«
Jetzt fällt es mir wieder ein: Letzte Woche hat Lukas die Klobrille oben gelassen. Die Assimilierung ist in schleichendem Gange. Vom Sitzpinkler zum Wildschweinjäger. Vom Kraut zum Kiwi. Wahrscheinlich gibt’s bei uns demnächst Popcorn-Hähnchen zum Abendessen.
Wir kaufen Otto einen Instantkakao und fahren weiter. Hier irgendwo oberhalb der Küste muss das Happy Valley sein – ein Tal, in dem jahrelang Ökoaktivisten ausharrten, um eine Schneckenart zu schützen, die von einer Minengesellschaft bedroht war. Da aber viele Westküstenbewohner vom Bergbau leben, hassen sie engagierte Grüne fast noch mehr als Jafas. Da waren dann gerne mal die Reifen zerstochen, wenn die Schneckenschützer nach ihren Talbesetzungen zurück nach Westport kehrten. Hart ist die Natur und alle, die von ihr leben müssen.
Ganz im Süden der Westküste hat der ›Lonely Planet‹ als ›heruntergekommenste Touristenattraktion‹ das Mini-Museum in Pukekura – Einwohner: zwei – geadelt. Dort bekommt der Besucher, wenn er sich denn durch die Schwärme von Sandfliegen vorgearbeitet hat, ein trauriges Sammelsurium pelziger Hassobjekte vorgeführt. Denn ganz oben auf der Liste der Feinde der Westküstenbewohner steht – neben der Naturschutzbehörde – das Possum. Die Kneipe gegenüber serviert von der Straße Zusammengekratztes wie ›Possum im Scheinwerferlicht‹. Wer in Pukekura und Umgebung lebt, stellt nicht nur Fallen auf, sondern besitzt oft eine spezielle Rupfmaschine, durch die man die Kadaver jagt. Je südlicher das Possum, desto dichter sein Fell, und dafür gibt es Geld.
Pelz war bisher immer böse. Nicht so in Aotearoa. Da darf man auch als vegetarischer Hausbesetzer Pelzjacke tragen, solange die tote Haut vom Possum stammt. Aus Possums entstehen Ohrenklappen, Pantoffeln, Sofadecken und Nackenrollen, denn Possums sind eine Pest und werden mit grünem Segen gejagt. Das Tierchen mit Marderschnauze und Puschelschwanz – zoologisch korrekt ein Fuchskusu und nicht mit dem amerikanischen Opossum zu verwechseln – ist nicht einheimisch und damit ein Feind von Flora und Fauna. Es frisst kleine Singvögel und nagt Bäume ratzekahl. Auch Katzen werden als Vogelfeinde von vielen gehasst. Ein Parlamentsabgeordneter für die Westküste ließ sich mal im Fernsehen über Katzen aus. Belustigt erzählte der Lokalpolitiker vor den Kameras, wie er einst eine Katze ins Feuer schmiss. Erst als er die Miene seines offensichtlich zivilisierteren Gegenübers sah, fügte er hinzu: »Aber das Feuer war schon fast ausgegangen.«
Als ›ferals‹, Verwilderte, hatte Helen Clark diese Sorte von Bürgern einst bezeichnet. Die Wilden danken es der früheren Premierministerin auf ihre Weise. Der Ekelwettbewerb, der im Rahmen des Wildfoods Festivals in Hokitika
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