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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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sonst regnet’s hier ja immer« –, gab er eine Anzeige auf. Es meldete sich ein Friedhofsgärtner, der Würmer in Mengen anzubieten hatte. Vorsichtshalber greife ich zu den ›Würmern für Feiglinge‹: bunte Weingummischlangen.
    Den Stand Nr. 70 zieren Fotos von kopulierenden Kühen und ein eigenartiger, säuerlicher Geruch. Jugendliche, Damen im besten Alter und erstaunlich viele Männer drängeln sich zu den drei stämmigen Frauen von ›Coast Cock-Tail‹ durch. Bridget, Wendy und Heather hantieren mit Pipetten, die furchteinflößend lang sind. 1300 Portionen besten Bullenejakulats haben sie anzubieten. »Eine Woche lang haben wir gebraucht, bis wir das Zeug zusammenhatten«, sagt Bäuerin Heather stolz. Sie stammt aus der Zuchtbranche und hat drei verschiedene Geschmacksrichtungen des Fortpflanzungsmittels im Sortiment: als Drei-Milliliter-Schuss per Pipette direkt in den Mund; auf Eis mit Wodka oder Baileys; oder alkoholfrei mit Fruchtsaft. Das Gerücht, der tierische Samen sei ein Potenzmittel, scheint sich auf dem Festival schneller zu verbreiten als die Rauchschwaden der vielen Grills und heimlichen Joints. Die Fünf-Dollar-Gedecke gehen weg wie warme Semmeln.
    Wir schieben uns weiter. Whitebait fritters, rohe Seeigel, Möweneier. Und schließlich aus Vollkornmehl gebackene Wildschweine unter einem Schild von ›Jägi’s Bakery‹. Sieh mal an – der Biobäcker aus Christchurch, der seinen Schreiner wegen eines Tropfens Klebstoffs zusammenfaltet, hat fürs Wildfoods-Wochenende eine mobile Filiale errichtet.
    Meister Olewski bedient uns persönlich. Eine Bäckermütze sitzt über seinem fleischigen Gesicht mit farblosen Wimpern und Ziegenbärtchen.
    »Leute, greift zu«, sagt Jörg und hält uns ein Probierschälchen mit Hufen und Hauern hin. Am Handgelenk funkelt eine klobige Uhr. Die fällt mir nur auf, weil Kiwis so selten Uhren tragen. Otto knabbert bereits an einem Dinkelschweineohr.
    »Esst mal was Anständiges. Ihr habt doch sicher genug von dem Schaumstoff, den die hier Weißbrot nennen, was, haha!«
    Genug haben wir von Besserwissern, die alles verachten, was nicht dem deutschen Reinheitsgebot entspricht. Leider ist diese Sorte verdammt weit verbreitet. Jörg zeigt auf einen bunt bemalten Hippiebus, der hinterm Nachbarstand steht. Eigentlich ist es kein Bus, sondern ein Housetruck. Solche selbst gezimmerten Häuschen mit einem alten Laster als fahrbarem Untersatz und Schornstein auf dem Dach sieht man oft an der Westküste. Ein Housetruck ist perfekt für ein Nomadenleben zwischen Strand und Regenwald und seit Langem mein heimlicher Traum. Die Hintertür des Trucks ist offen und gibt die Aussicht frei auf eine Matratze, zerwühlte Schlafsäcke, Kochgeschirr, Bierkartons und einen schlafenden Hund. Ein echtes Stillleben.
    »Schaut euch mal den Saustall da drin an«, empört sich der deutsche Bäcker. Sein Ton setzt voraus, dass wir aufgrund unserer Nationalität sofort mitziehen. »Wie Leute nur so leben können! Da wimmelt es doch sicher von Ungeziefer. Also, was man hier so sieht …« Er schüttelt sich demonstrativ. »Und von Mülltrennung haben die auch noch nie was gehört. Schmeißen alles in einen Sack. Die totale Sauerei.«
    Lukas zieht mich sanft am Ärmel und deutet Richtung Hammelhodenstand.
    »Hunger?«
    Auch Otto will weiter. Aber Jörg Olewski hat noch nicht ausgemeckert.
    »Habt ihr gesehen, wie sich manche hier benehmen?«
    Wir schauen uns das feuchtfröhliche Treiben um uns herum an. Ein Pulk gleich gekleideter Männer steht eng und leicht schwankend zusammen. ›Bush Pigs‹ prangt in rot auf den weißen, nicht mehr ganz sauberen T-Shirts. Die selbst ernannten Wildsäue sind die neuseeländische Antwort auf den Stammtisch. Ein Mitglied dieses Drinking Clubs wird gerade als Neuer initiiert. Seine Kumpel halten ihm etwas unter die Nase, das wie eine außerirdische Organspende aussieht. Ich trete näher zu den Trinkbrüdern. »Abalone-Titten!«, erklärt mir einer von ihnen stolz und zeigt auf den wabbeligen Abschnitt der Riesenmuschel. Der Neuling muss das Meeresbrüstchen roh herunterschlucken. Die anderen johlen, klatschen, feuern ihn an: »Du schaffst es, du kannst das!« Er kann’s, aber übergibt sich trotzdem mit sattem Schwall in einen Altglaseimer. Von Mülltrennung keine Spur, da hat Jägi recht.
    »So ähnlich stelle ich mir das Oktoberfest vor«, sinniert Lukas, das Kieler Nordlicht. »Oder den Kölner Karneval.«
    Ich protestiere. Jörg Olewski ringt sich ein

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