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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Stimmung nicht getrübt.
    »E mua kai kai. E muri kai wai. Esst zuerst Essen, trinkt danach Wasser«, sagt Haki. »Greift zu, Leute!«
    Wir kauen schweigend. Es ist simpel und köstlich. Auch Vivien probiert von allem und verzieht nicht einmal das Gesicht. Nach dem Festmahl wandert der Talking Stick durch die Schneidersitzreihe. Angie macht den Auftakt.
    »Heute Abend habt ihr gespürt, dass man hiervon berührt werden kann, auch wenn man kein Maori ist.« Die Piercingringe funkeln mit ihren Augen um die Wette. Ihre Stimme wird rau. »Ich bin echt überwältigt, dass ihr euch alle so anstrengt mitzumachen. Ihr wisst nicht, was mir das bedeutet.«
    Tränen schießen ihr in die Augen. Vivien legt den Arm um Angie und zieht sie kurz an sich. Beide sehen aufgewühlt aus. Das Feuer flackert über Gesichter, die sich in einer Woche verändert haben.
    Einer der Hakatänzer hält jetzt den Stock.
    »Das hat sich vorhin einfach irre angefühlt. Ich habe wirklich gespürt, was es heißt, ein Krieger zu sein.« Er trägt eine Art Kopfbedeckung aus Flachs. Sein Gesicht ist mit Ruß geschwärzt. Erst am Vollbart erkenne ich, dass es Shane ist, der peacige Ire.
    »Wenn ihr einen Funken in euch habt, kann daraus eine Flamme werden. In mir ist sie entzündet worden.«
    Auch in seinen Augen ist ein Glanz, der nicht nur vom Feuerschein kommt. Wenn das so weitergeht, endet er noch bei der IRA .
    Eva greift nach dem Redestock. Bitte, liebe Maori-Götter, lasst sie jetzt keine öffentliche Liebeserklärung an Haki Waiomio machen! Ich traue meiner frisch entflammten Freundin alles zu. Es kommt noch schlimmer, als ich befürchte.
    »Ich will mich immer an euch erinnern und von diesem Marae träumen«, sagt sie in Hakis Richtung. »Das Feuer, der Wald, der Fluss, die Lieder – das seid ihr. Und darum«, sie klingt jetzt feierlich, »werde ich ein Zeichen setzen. Ich will mir das Gesicht tätowieren lassen. Mit einem moko.«
    Mein entsetzter Blick wandert von Evas Bleichgesicht zu dem der betagten Maori-Frau, die uns die Essenstabletts gebracht hat. Höflich nickt die tätowierte Dame Eva zu, so als habe sie nicht ganz richtig verstanden. Ich höre ein mit Mühe unterdrücktes Kichern rechts von mir. Es stammt aber nicht von Vivien oder ihrem Freund, sondern von Angie. Gut, dass wir humorlosen Deutschen meinen Kursliebling aufheitern konnten.
    »Siebtes Gebot«, murmelt einer der Samoaner mit gespielt strengem Gesichtsausdruck. »Du sollst nicht von anderen Kulturen stehlen.« Sein Freund mit der Baseballkappe klatscht leise Beifall.
    Haki sagt kein Wort, sondern stimmt ein Lied an. »Te Aroha …« – »Te whakapono«, fallen wir in die alte Hymne mit ein.
    Ich muss pinkeln gehen. Haki steht ebenfalls vom Feuer auf und stapelt die abgegessenen Tabletts zusammen. Als ich an ihm vorbeilaufe, zwinkert er mir zu und fragt mich, ob ich denn was Nettes über ihn schreiben werde. Ich sage ihm, dass er noch berühmt werde.
    »So viele Deutsche kommen nach Aotearoa.« Er schiebt einen halb gegessenen Hühnerschenkel vom Tablett. »Und niemand hat so viel Interesse an meinen Leuten wie ihr. Eure politische Moral, dass ihr alles hinterfragt und ernst nehmt – das beeindruckt mich.« Er grinst mich von der Seite an. »Auch wenn euch oft der Spaß fehlt und ihr so komische eckige Brillen tragt.«
    Was bin ich dankbar, dass er keine Socken und Sandalen erwähnt hat. Ich sage ihm, dass es mich beeindruckt, wie viel Respekt die meisten Pakeha seiner Kultur entgegenbringen. Das sei Menschen wie ihm zu verdanken. Mir rutscht sogar raus, dass ich mich für einen Maori-Sprachkurs anmelden will, wenn ich wieder in Christchurch bin.
    Haki legt eine Hand auf meine Schulter. Die Finger sind etwas schmierig von Ruß und Hühnerfett. Ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht sehen, weil er mit dem Rücken zum Feuer steht, aber sein breites Lächeln ist unüberhörbar.
    »Wirklich, Anke: Ich mag euch Deutsche.«
    Nie hätte ich gedacht, dass mir dieser Satz mal so runtergeht wie Öl. Aus dem Mund meines neuen Gurus ist er Balsam für meine wunde Immigrantenseele. Jetzt fehlt nur noch, dass auch ich uns mag.
    Als ich vom Gebüsch zurück zum Feuer laufe, treibt mich ein angenehm verdächtiger Geruch zu zwei Gestalten unter einem Baum. Sieh mal einer an: Der Hip-Hop-Samoaner und Viviens zukünftiger Verlobter gönnen sich heimlich einen kleinen Joint.
    »Willst du probieren?«, grunzt und hustet der Blondschopf. Er hält mir den Stängel hin. Nicht schlecht für

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