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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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einen wiedergeborenen Christen. Vielleicht hat er Angst, dass ich ihn bei Haki Waiomio verpfeife, und braucht Mittäter. Als Journalistin bin ich leicht zu bestechen und als ehemalige Raucherin noch leichter zu verführen. Ich nehme einen kräftigen Zug.
    »Das Zeug stammt oben vom Cape Reinga. Maori-Gras. Knallt wie der Teufel«, warnt mich mein neuer samoanischer Kumpel, als ich den Rauch wieder auspuste.
    Oh dear. Zu spät. Aber was war Hakis letztes Sprichwort? ›Berühre niemals die Sorge, bevor die Sorge dich berührt.‹
    Weicher Boden. Feuchte Luft, alles feucht hier, Regenwald. Zurück zum Feuer. Das ist der Weg. Ich rieche das Feuer. Aber das ist der Fluss. Hihi, alles nass, mein Schuh ist nass. Das ist nicht das Feuer. Hihi, aua! Das war ein Stein. Jetzt bin ich ein Baum. Strecke die Arme aus, spüre meine Blätter. Papatuadingsda und Rangiwasnoch mal, Mutterhimmel und Vatererde, Himmel un Ääd, hihi.
    Aahh, ist der Wald schön. Wald dreht sich. Ich höre Leute. Ist das Eva? Sie lacht. Ist das Haki? Ich bin unsichtbar. Wie der Waldgott Tane Mahuta. Was macht Eva da?
    Der Weg zum Feuer. Das Feuer tanzt. Ist groß und klein. Alle singen. Ich wiege mich. Hin und her. Schönes Lied. Oh, war das ein Glas? Voller Cola? Oh, sorry! So sorry, hihi.
    Hühnerknochen. Wo sind die Hühner hin? All das Essen, mmhh, war das Essen gut. Da ist doch noch was über, von all dem guten Essen. Süßkartoffel, kalt, so süß, so verkohlt. Lecker. Aaah, Vivien hat Schokolade. Nettes Mädchen. Mag Vivien. Mag alle hier.
    Meine Matratze. Schlafsack. Komischer Reißverschluss, muss kaputt sein. Muss fester ziehen. Geht nicht. Falscher Schlafsack. Egal.
    Ich träume von Eva und Haki. Eva liegt auf dem Waldboden. Ihre Dreadlocks fließen wie ein Heiligenschein um ihr blasses Gesicht, ihre Lippen sind pechschwarz. Haki Waiomio trägt einen Umhang aus Tuifedern und kniet neben ihr. In der einen Hand hält er einen angespitzten Haifischzahn, in der anderen ein kleines Hämmerchen. Er beugt sich über ihr Gesicht. Hammer und Meißel sausen nieder. Tok-tok-tok. Er stichelt auf ihrem Kinn herum. Sie zuckt und schreit lautlos vor Schmerz. Tok-tok-tok, tok-tok-tok. Unter Evas Mund prangt ein frisch tätowierter Bundesadler.
                
    Der Happy Van rumpelt über die Landstraße Richtung Süden. Kopfschmerzen habe ich und Durst. Maori-Kultur jederzeit, aber nie mehr teuflisches Maori-Gras. Noch vier Stunden bis Auckland. Endlich herrscht wieder Handyempfang. Im Bus sind alle mit Simsen beschäftigt. Nur Angie summt mit ihrem iPod um die Wette.
    »Zwölf Anrufversuche von Jörg. Der spinnt doch«, knurrt Eva im Sitz neben mir und löscht entnervt Nachrichten. »Muss ich mir nicht alle anhören. Eine Woche weg, und schon ist er garantiert nur am Meckern, weil drei Dinkelkörner schief im Brötchen liegen. Der sollte auch mal auf so einen Kurs, damit er die Welt anders sieht.«
    Ich traue mich kaum, sie anzugucken. Was von der Szene im Wald gestern war Droge, was war echt? Zumindest beruhigend, dass ihr Gesicht noch ganz normal aussieht. Ihr Gesicht, aber nicht der Hals. Das ist doch –
    »Eva, du hast da einen Knutschfleck.«
    Sie lässt fast das Handy fallen. Zieht ihr Baumwolltuch zurecht und ein paar Rastasträhnen nach vorne.
    »Ich will jetzt nicht drüber reden.«
    »Okay.«
    Ich berufe eine spontane Pressekonferenz in meinem Kopf ein und feuere für alle Nichtanwesenden die Fragen ab: Glauben Sie, das war eine schlaue Idee? Fühlen Sie sich jetzt besser? War es gut? Was sagen Sie Ihrem Mann?
    Die einseitige Konversation strengt an. Zeit für einen Themawechsel.
    »Deine Idee, also mit der Tätowierung im Gesicht …«
    Ich weiß nicht, was ich eigentlich fragen will. Das Blut in meinem Kopf pocht an die Schädeldecke.
    »Keine Panik. Das moko ist gestorben.«
    »Das ging aber flott.«
    Gerade mal eine Stunde weg vom Marae, und schon ist der Maori-Zauber verflogen?
    Eva druckst herum.
    »Haki wird für mich ein ganz persönliches Tattoo entwerfen. Wir haben das gestern beim Feuer noch etwas ausführlicher besprochen.« Aha. »Das lass ich mir dann nach der Trennung auf den unteren Rücken machen.«
    »Arschgeweih zur Scheidung? Na super.« Zumindest besser als eine Busenvergrößerung. Eigentlich müsste ich erleichtert sein, aber ich bin gereizt. »Der Umgang mit all den Neunzehnjährigen färbt wirklich positiv ab.«
    Ich will Eva fragen, ob sie sich auch noch den Bauchnabel durchstechen lässt, aber in meinem Kopf

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