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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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saust das gleiche Hämmerchen nieder wie gestern in dem Traum: Tok-tok-tok, tok-tok-tok. Eva sagt nichts, sondern nimmt sich ihr Buch vor. Sie blättert durch die ersten Seiten von ›Neuseelands Maori ABC ‹, schließt es wieder und zieht ihre Sonnenbrille auf. Wir starren beide schweigend aus dem Fenster, als ob es dort draußen irgendetwas Faszinierendes gäbe.
    Mittagspause in Puhoi. Unser Happy Van hält vor einer weißen Kirche mit spitzem Kirchturm und rotem Dach. Alle steigen aus und strömen Richtung Klo, Café und Mini-Supermarkt. Puhoi ist berühmt für seinen Käse. Und Puhoi ist ein böhmisches Dorf. Das entnehme ich einem Prospekt an der Bushaltestelle. Bisher hatte ich keine Ahnung, dass eine Gruppe von 82 Egerländern am 29. Juni 1863 nach 106 Tagen Überfahrt in Neuseeland ankam. Von Auckland aus wurden die Auswanderer mit einem Kutter den Fluss hinauf in der Nacht an diesen verlassenen Ort gebracht. Häuser und Straßen gab es hier nicht, nur ein paar Hütten aus Nikaustämmen standen im Sumpf. Eine der Pionierfrauen wird in der Broschüre zitiert: »Wenn ich übers Meer hätte gehen können, wäre ich heimgegangen.«
    Jetzt sieht alles sehr proper aus. Das schmucke Kolonialstilhotel hieß früher ›German Hotel‹. Es gibt einen Landing Stone mit Gedenktafel zur Erinnerung an die ersten Siedler. Touristen halten hier sicher oft an.
    »Das ›Bohemian Museum‹ ist noch offen«, sagt Eva, aber es klingt nicht wie eine Einladung. Eher wie ›Gut, dass wir bald etwas Abstand voneinander haben, und ruf mich die ersten Tage nicht an‹.
    »Mich zieht’s eher in die Käserei«, sage ich. »Emmentaler statt Ehrentafel.«
    Eine Viertelstunde später laufen wir uns im Café wieder über den Weg. Genauso lange hat es gedauert, dass mir meine Bemerkungen leid tun.
    »Komm, ich lade dich ein«, sage ich.
    »Gerne«, sagt sie und zieht endlich die Sonnenbrille ab.
    ›Gegrilltes Panini‹ steht am Eingang auf einer Plastiktafel unter ›Club Sandwich‹ und ›Hot Dog‹. Ein Hot Dog, wenn er nicht ausdrücklich ›American Hot Dog‹ heißt, ist eine aufgespießte Wurst, in Teig frittiert. Sie ist nur abgehärteten Junkfoodfans mit Stahlmagen zu empfehlen.
    »Gibt’s das Panini auch vegetarisch?«, fragt Eva. Der Marae-Kurs hat sie also doch nicht komplett umgekrempelt. Das freut mich.
    »Kann ich machen«, sagt die Frau hinter der Resopaltheke. Dort ruhen Zitronen-Meringue-Schnitten auf einem Aluteller. Mit den Baristas von Lyttelton hat diese Bedienung so viel gemein wie Amy Winehouse mit Operndiva Kiri Te Kanawa. Blondierte Strähnen, die nach der nächsten Dauerwelle schreien, hängen auf ihren Kittel. Das Lächeln der Frau ist so herzlich wie ihr Gebiss marode. Sie zeigt auf den Kleinbus vor der Tür.
    »Wo kommt ihr denn alle her, aus der Wildnis?«
    Das nennt man wohl Projektion. Das Panini besteht aus zwei trockenen Baguettestücken, die von zerronnenem Schmelzkäse und einem Schlag Kartoffelbrei zusammengehalten werden. Alles schön Ton in Ton. Ein Streifen Salzgurke lugt hervor. Der Anblick schlägt mir sofort auf den Magen.
    »Vegetarisch genug?«, fragt die Frau ohne eine Spur von Ironie. Neben Evas Teller pflanzt sie eine rote Plastikquetschflasche in Tomatenform. Die Öffnung ist ein grüner Stiel. »Und, wie gefällt euch Neuseeland?«
    Ich kann das Lebkuchenaroma im Ketchup förmlich riechen. Ich glaube, ich brauche ganz dringend einen Kaffee, aber besser nicht von hier.
    Draußen vor dem Café fasst mich Angie am Arm und zieht mich mit sich in Richtung Kirche.
    »Schau mal, deine Vorfahren!«
    Vor dem Kirchenportal steht eine Frau in Egerländer Tracht. Sie hat ein lila und grün geblümtes Tuch mit Fransen um die Schultern und versinkt fast in einer weißen Bauernbluse. Ihre Wollstrümpfe sind genoppt. Karl Moik im Musikantenstadl hätte seine helle Freude an ihr.
    »Echt interessant, eure Kultur«, sagt Angie zu mir. »So bunte Farben, und all die Stickerei! Das würde meiner Oma gefallen. Habt ihr eigentlich auch Tänze?«
    Die verkleidete Frau kommt näher.
    »Ein schönes Foto vielleicht?«, fragt sie und lächelt uns zaghaft an. »Kostet nur zwei Dollar.«
    Sie klingt nicht wie ein Kiwi. Und schon gar nicht böhmisch, soweit ich das überhaupt beurteilen kann. Ich erkundige mich, woher sie kommt.
    »Aus Manchester«, sagt die Trachtenträgerin halb entschuldigend. »Ich mache das nur als Aushilfe. Rosemary, meine Nachbarin, ist krank. Zwei Fotos für drei Dollar, in Ordnung?«
    Ich

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