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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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als Mensch.
    »Hier in Queenstown haben sie die letzte Staffel von ›The Bachelor‹ gedreht«, erzählt Ditze und schaut aus dem Fenster. »14 Millionen Zuschauer pro Folge in den USA . Super Werbung für die Gegend. Jason Mesnick, der Junggeselle, war total begeistert von der Stadt. Der will sich hier was kaufen.«
    Ich blättere in der Broschüre, die mir ein Promogirl beim Verlassen des Flughafens von einem Prospektständer angereicht hat. Das ganze Panoptikum möglicher Adrenalinräusche springt mich an: Canyon Swing, Parasailing, Heli Rafting, Skydiving, Luging, Jet Boating – all das und noch viel mehr kann ich buchen, und zwar kombiniert als Tandem, Twin Thriller oder Triple Challenge. Im Fremdenverkehrsamt von Queenstown muss ein Mensch sitzen, der sich an isotonische Getränke angelehnte Namen für all die Veranstalter ausdenkt und sich dabei was einwirft.
    »Sie sollten eine ›Herr der Ringe‹-Tour machen«, sagt die Taxifahrerin, als ich im Portemonnaie krame. Sie drückt mir einen Prospekt in die Hand. »Unsere Jeeps sind nagelneu. Wir verleihen auch Mountain Bikes.«
    Ditze und Freundin steigen vor dem Rydges aus, einem Hotelpalast. Sie sind im besten Haus des Ortes untergebracht. Ich schlafe heute im Paua Palace, was trotz des illustren Namens nur ein einfaches Backpackerhostel ist.
    »Fahr du schon mal zum Set«, schlägt mir die Kreissäge vor. Er öffnet die Taxitür. »Wir ruhen uns etwas aus. Haben ja die nächsten zwei Tage noch genug vor uns. Wir treffen uns dann später mit der ganzen Truppe beim Jetboat, okay?«
    Er zeigt auf die Pier, die hinter uns am Ufer liegt. Tamara klemmt sich ihr Louis-Vuitton-Täschchen unter den Arm, Ditze klemmt sich Tamara unter den Arm, und sie verschwinden in der Lobby.
    Ich steige vor dem Paua Palace aus dem Taxi und atme tief durch. Dank seiner adretten Seelage und den Betonkästen am Wasser erinnert der Luftkurort ans schweizerische St. Moritz, wenn auch schwer auf Speed. Jemand sollte wirklich die Drogenberatung aufsuchen. Überall ragen orangefarbene Baukräne hoch. Schotterwege werden zu Straßen geteert und Apartmenthäuser aus den Hängen gestampft. Touristenbusse parken in Doppelreihen. Sie spucken Goretexgestalten aus, die sich zu den besten Forellenfangplätzen fliegen lassen und anschließend in die Läden mit Jadeschmuck und Jacken aus Merinowolle ausschwärmen.
    In den Läden auf der Hauptstraße suche ich nach Mitbringseln für meine Lieben. Jakob bekommt einen Kugelschreiber, der auf Knopfdruck Haka-Gebrüll abspielt, und Otto Magnetfiguren mit Kiwi-Vögeln, made in China. Auch Eva muss etwas kriegen, denn ich habe mich immer noch nicht für die Woche auf dem Marae revanchiert. Eigentlich hätte sie nach Queenstown mitkommen sollen. Ich schwanke zwischen Flip-Flops, die mit Schäfchen bedruckt sind, und Nippelwärmern aus Possumfell. Der einzige Ökopelz der Welt ist für die chronisch verfrorene Eva genau das Richtige. Bei den Nippelwärmern muss sie nur achtgeben, dass sie die Fellpuschel nicht auf die Brust, sondern auf die Innenseite ihres T-Shirts klebt. Die japanische Verkäuferin demonstriert es mir.
    Judy bekommt ein Fläschchen Massageöl. Immerhin ist sie nicht nur die beste Masseurin, sondern meine Lieblingskiwi. Soll ich Claude ein Souvenir mitbringen? Ich wühle mich ratlos durch Döschen mit Manuka-Lippenbalsam. Ein Bröckchen Fett aus dem Nachlass von Joseph Beuys wäre ihr sicher lieber.
    Eine Gondel transportiert Viererladungen von Abenteuersuchern auf den nächsten Hang oberhalb der Stadt. Dort können sie in einer Art Bobschlitten auf Betonbahnen herumsausen. Ich höre Schreie aus der Ferne. Bungeespringer stürzen sich zwischen Berg- und Talstation von einem Holzplateau. Es ist surreal, dieses Panoptikum an Hyperaktivität. Unbeeindruckt und unberührt von dem Lycra- und Fleecegeschwader liegen die Gipfel der Südalpen in greifbarer Nähe. Schneefelder, Geröllhänge und ein knallblauer Himmel locken. Ich schaue nach oben und sehe keine Vögel, sondern zwei Gleitsegel über mir schweben. Höchste Zeit, mich raus aus dem Speed-Städtchen Richtung Berge zur ›Irrfahrt ins Glück‹ zu begeben. Ich werde am Set erwartet.
    »Du glaubst, dass ich mich in meine Welt zurückgezogen habe und da niemanden hereinlasse!«
    Den Satz habe ich in den letzten zwanzig Minuten zum fünften Mal gehört. Er wird auch nicht besser, wenn der Wind ihn wieder verbläst. Es ist verdammt kühl an diesem Frühlingstag auf einer hoch gelegenen

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