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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Weide zwischen Queenstown und Glenorchy. Kühl, aber wunderschön. Lämmer tummeln sich in respektvollem Abstand zur Filmcrew. Hinter mir ruht der tiefblaue Wakatipu-See, vor mir thronen die Berge. Dazwischen steht Dennis Lärche, einschlägig vorbestraft durch ›Verbotene Liebschaft‹ und ›Sylvia – Wege ins Glück‹. Das Glück ist in diesem Genre so allgegenwärtig wie das Paradies. Im Pressetext, den mir der Sender zugefaxt hat, kommt das P-Wort allein fünfmal vor. In ›bezaubernder Naturkulisse‹ würde gedreht, alles sei ›einzigartig‹, ›niemand Geringeres als die größten Stars‹ seien verpflichtet worden, und stets ›stockt ihnen der Atem‹ angesichts der ›unberührten Natur‹. Vielleicht hat der Hauptdarsteller wegen all der Atemprobleme daher heute solche Probleme mit seinem Text.
    Mit dem ganzen Pathos einer verletzten Männerseele stößt Dennis Lärche den Satz ein weiteres Mal hervor. Endlich sitzt er. Cut. Zwei Assistentinnen eilen herbei und hüllen den Schauspieler vor dem nächsten Take in eine Daunenjacke. Der Wind pfeift ganz unidyllisch und brutal durchs neuseeländische Landleben. Aber das sieht man ja im Fernsehen später nicht.
    Dennis Lärche hämmert auf einen Zaunpfahl ein. Als unglücklich verliebter Schaffarmer soll er Arbeit auf dem Bauernhof mimen. Der Beleuchter ist einer von fünf Einheimischen auf dem Set. Er feixt in die Kapuze seiner dicken Wetterjacke.
    »So einen riesigen Hammer benutzt doch niemand«, sagt er in meine Richtung. »Und was soll all der Maschendraht am Zaun? Ist das etwa ein Hühnerstall? Ein Witz.«
    Zeig mir einen Kiwi, der nicht nebenher eine Farm aus dem Effeff kennt, Bäume fällen und Laster manövrieren kann. Selbst wenn er Modedesigner, Kameramann oder IT -Spezialist ist, kann er Draht von Draht unterscheiden.
    Die Kamera läuft. Dennis Lärche reißt sich grüne Gartenhandschuhe von den Händen, die ebenfalls gegen jede Farmerwürde verstoßen, und wirft sie mit dramatischer Geste ins Gras. Er trägt helle Shorts und ein Hemd auf Figur. Das hat Rosamunde-Pilcher-Stil, wenn auch wenig mit einheimischen Bauern gemein. Lärches Filmpartnerin Sonja Halverstamm weicht dem Handschuh aus, stolpert und landet mit ihrem weißen Glockenrock zwischen Schafkötteln. Spielt sie nicht die verliebte Meeresbiologin, für die die Weta-Studios von Peter Jackson eigens einen ferngesteuerten, 25 000 Dollar teuren Pinguindummy gebaut haben, der den Kopf nach hinten werfen kann?
    »Je schöner das Land, desto seichter der Stoff«, seufzt einer der Schauspieler, der am Klapptisch mit den angetrockneten Doughnuts herumlungert. Er greift nach einer Thermoskanne mit Kaffee. Ihn haben sie heute in ein Holzfällerhemd gesteckt. Gleich muss er mit Schwung vom Pferd steigen, obwohl er nicht reiten kann. Der gut aussehende Jüngling war einst Kfz-Mechaniker, dann gewann er den Modelwettbewerb ›Face 2000‹. Sein aktuelles Gesicht wendet er meist ab und den Bergen zu, denn »das permanente Gequatsche« seiner Kollegen gehe ihm auf die Nerven, gesteht er mir. Zehn Drehtage können lang sein.
    Ich versuche natürlich, so viel Gequatsche wie möglich aufzuschnappen. Ein Rückfall in frühere Zeiten. Alte Boulevardweisheit, frisch bestätigt: Wo gedreht wird, da fallen Späne. Und wenn sie aus der Mottenkiste der deutschen Fernsehunterhaltung kommen, sind sie besonders morsch.
    Der Regisseur stapft in Moonboots auf mich zu und stellt sich als Hagen Windfurch vor. Er ist grau meliert und wichtig. Seit Urzeiten wird er in die weite Welt geschickt, um Millionen Zuschauern weiszumachen, dass das gerontologische Treiben an Bord der MS Deutschland oder auf badischen Krankenhausfluren frivol und fidel ist. Der Mann hat uns Stunden und Aberstunden von Fernsehunterhaltung beschert.
    »Ich habe nur ein paar Minuten Zeit, aber schießen Sie los.«
    Kaum ziehe ich den Colt, da ist er schon nicht mehr zu bremsen. Sein Leben entblättert sich in Windeseile. Im Dienste seiner Aufgabe hat er Opfer auf sich genommen, gegen die der jahrelange Anblick von Klaus-Jürgen Wussow ein Klacks gewesen sein muss. 1985 biss ein Löwe den Regisseur beim Dreh ins Schienbein.
    »Ein Löwe! Im Schwarzwald! Ich lag unter ihm!«, ruft der Regisseur aus. Er krempelt das Hosenbein hoch und zeigt mir die Narbe. Sie ist lang, aber einwandfrei verheilt. Um die Hose ganz auszuziehen, ist es etwas zu frisch. Die deutsche Filmcrew guckt mit lauem Interesse zu. Vielleicht hat sie diese Szene schon öfter

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