Was sich kusst das liebt sich
ihm über die wirklich wichtigen Dinge zu reden.«
» Weil er dir dann womöglich sagt, dass er dich nicht liebt und dich verlässt.«
» Ja«, sagte Charlotte überrascht. » Wie hast du das erraten?« Der Ansatz eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. » Du bist echt ziemlich clever.«
» Manchmal bin ich auch ziemlich dumm.« Neve stellte ihre Tasse ab und verschränkte die Arme. » So kann es nicht weitergehen. Das ist doch kein Leben. Du kannst mich nicht ständig schikanieren, wenn es dir schlecht geht. Nützt das überhaupt etwas?«
» Nicht so richtig«, murmelte Charlotte, und dann brach sie in Tränen aus. Es war grauenhaft. Sie fand es sichtlich peinlich, denn sie machte sich ganz klein und ließ den Kopf hängen, sodass ihre Haare das Gesicht verdeckten, und sie versuchte, ihre Schluchzer zu unterdrücken, was sie nur noch verzweifelter klingen ließ.
Es gab nichts, was Neve hätte tun können, also tat sie auch nichts. Sie saß bloß schweigend da, und als Charlottes Tränen allmählich versiegten, stand sie auf, tränkte ein Blatt Küchenrolle mit Wasser und reichte es ihr, wobei sie ihr kurz eine Hand auf die Schulter legte.
Charlotte tupfte sich vorsichtig die Wangen trocken. » Heulen tut höllisch weh, wenn man ein blaues Auge hat.«
» Mit einer kaputten Lippe Tee zu trinken, ist auch kein Spaß«, bemerkte Neve, und sie grinsten einander schwach an.
» Weißt du was, Neve? Er weigert sich sogar, meine Hand zu halten, wenn wir irgendwohin gehen. Wie krank ist das denn?«
» Das ist total krank.« Neve sah auf die Uhr. Es war kurz nach zwölf. Gar nicht so spät eigentlich, wenn man bedachte, was sie in den vergangenen paar Stunden alles erlebt hatte. » Es ist schon spät. Ich sollte gehen.«
» Und, sind wir jetzt Freundinnen?«, fragte Charlotte und wirkte ernüchtert, als Neve den Kopf schüttelte.
» Ich schätze, Freundinnen wäre etwas übertrieben. Sagen wir mal, wir haben die weiße Flagge gehisst und eine Waffenruhe ausgehandelt, die per sofort in Kraft tritt.«
» Äh, was?«
» Ab jetzt ist Schluss mit den Schikanen.« Neve würde Charlotte wohl nie so richtig mögen, aber sie betrachtete sie auch nicht mehr als Ausgeburt der Hölle. » Einverstanden?«
Charlotte nickte. » Ja. Ich meine, ich kann mir nicht vorstellen, dass wir gemeinsam zu Nando’s essen gehen, aber wir bekriegen uns nicht mehr.«
» Schön.« Neve stand auf. » Ich gehe jetzt nach oben, und in Zukunft werde ich nicht mehr auf Zehenspitzen durch meine Wohnung schleichen, nur dass du’s weißt.«
Charlotte schnaubte. » Als könntest du das, mit deinem abgefallenen Zehennagel.«
» Sag doch nicht sowas! Du hast behauptet, er hätte sich nur an der Seite gelöst!« Neve stierte auf den mit zwei rosa Pflastern befestigten Gazestreifen hinunter und spürte, wie sich jedes einzelne ihrer inneren Organe angeekelt zusammenzog. » Oh, Gott, ich glaube, mir wird schlecht.«
Sie humpelte zur Tür. Charlotte war im Schlafzimmer verschwunden, tauchte aber wieder auf, als Neve in den Flur hinaustrat. » Hier, schenk ich dir.« Sie reichte Neve zwei ordentlich zusammengefaltete Kleidungsstücke. » Als eine Art Wiedergutmachung.«
Neve betrachtete den Jogginganzug aus knallrosa Nickisamt. » Ist das etwa…?« Sie brach ab, weil ihr die Worte fehlten.
Charlotte nickte. » Einer von meinen Juicy-Couture-Anzügen.« Die Vorstellung, sich von dem guten Stück zu trennen, trieb ihr erneut die Tränen in die Augen.
» Das kann ich nicht annehmen«, sagte Neve fest. Erstens waren Trainingsanzüge nur was für das Fitnesscenter, und zweitens war dieser hier pink.
» Du musst ihn nehmen, sonst bin ich tödlich beleidigt.« Das wirkte. Neve wusste nur zu gut, wozu Charlotte fähig war, wenn sie beleidigt war.
» Aber der passt mir doch gar nicht«, protestierte sie. » Du bist viel dünner als ich.«
» Fang nicht schon wieder damit an. Das habe ich nur behauptet, weil ich wusste, dass es dich auf die Palme bringt. Du bist nicht dick, okay? Das weißt du doch, oder?«
» Naja, natürlich weiß ich es, aber ich habe auch eine wochenlange Entschlackungskur hinter mir, und nur deswegen bin ich gerade so… naja, nicht dünn, aber sagen wir un fett.«
Charlotte legte die Stirn in Falten, ein allzu vertrauter Anblick. » Was redest du denn da, du dumme Kuh? Du bist jetzt seit Monaten nicht viel dicker als ich, wenn nicht sogar dünner, und ich trage Kleidergröße 42, seit ich vierzehn bin.«
Neve betrachtete ihre
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