Was sich kusst das liebt sich
komplizierter Wörter; ihr habt also viel gemeinsam.«
Martyn blickte ungläubig zwischen Neve und Celia hin und her. Kein Wunder, denn sie sahen sich nicht im Entferntesten ähnlich. Neve kam optisch ganz nach ihrem Vater, dessen bodenständige Familie aus dem ländlichen Yorkshire stammte, während Celia jedes einzelne keltische Gen ihrer Mutter aufgesaugt hatte. Celia war schmal und schlaksig, und dass ihr Gesicht scharfe Züge aufwies, fiel nicht weiter auf, weil stets ein lässiges Grinsen ihre Lippen umspielte, das sich in ihren strahlend grünen Augen spiegelte. Mit ihren Beinen konnte sie einem Showgirl in Las Vegas Konkurrenz machen, und ihre lange, lockige Mähne war so feuerrot, dass es niemand wagte, sie deswegen aufzuziehen.
Neve dagegen war unleugbar kräftig gebaut, wirkte aber zugleich weich und nachgiebig. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass alles an ihr vage und undefiniert war– angefangen von ihrem Aussehen bis hin zu der Tatsache, dass man ihr selbst Meinungen, die sie für tief verankert hielt, mühelos ausreden konnte. Celia und ihre Mutter sagten stets, Neves dunkelblaue Augen und ihr glattes, dichtes, dunkelbraunes Haar seien das Schönste an ihr. Sie hatte auch einen tollen Teint, doch alles, was unterhalb des Halsausschnitts lag, erforderte noch eine ganze Menge Arbeit. Neve konnte damit leben, dass den Männern nie die Luft wegblieb, wenn sie an ihnen vorbeiging, aber sie wünschte, Martyn würde nicht gar so bestürzt aus der Wäsche gucken, als Celia nun plötzlich » Ich geh mal eben zur Bar« murmelte und verschwand.
» Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Neve und streckte ihm die Hand hin. Sie wusste, sie hätte sich erheben sollen, statt ihn wie eine betagte Monarchin zu begrüßen, aber es stand zu befürchten, dass ihr dann die Strumpfhose zu den Knien hinunterrutschte. Außerdem hätte sich Martyn ja auch setzen können, aber er blieb vor ihr stehen. » Ähm… Gefällt dir deine Arbeit?«
Er zuckte die Achseln. » Das Gehalt reicht, um die Hypothek abzuzahlen«, meinte er. » Außerdem bekomme ich gratis Pflegeprodukte. Das ist aber auch schon alles.«
» Tja… Die Schlange an der Bar ist aber ziemlich lang«, murmelte Neve und hoffte, damit nicht den Eindruck zu erwecken, sie wolle einen Drink abstauben. Doch Martyn nickte bloß und blickte weiter nach rechts und links– überallhin, bloß nicht zu ihr.
Allmählich begann sich Neve über ihn zu ärgern, obwohl ihr durchaus bewusst war, dass ihr Talent in puncto Flirten gegen null ging. Zugegeben, sie war nicht Celia, aber wenn Martyn vorhatte, Celia irgendwann aus ihrem pfauenblauen Overall zu schälen, dann wäre es durchaus ratsam, sich zuerst mit der großen Schwester gutzustellen, fand sie.
Egal, als Versuchskaninchen kam er Neve gerade recht. » Und, was ist dein Lieblingswort? Meines ist Karfunkel. Oder vielleicht auch Omnibusbahnhof. Ich kann mich nicht entscheiden. Schreibt man Omnibusbahnhof eigentlich zusammen oder mit Bindestrich?«
Jetzt hatte sie Martyns volle Aufmerksamkeit. » Meinst du das ernst?«
Neve nickte. » Das frage ich mich schon lange.« Dieses Problem würde sie jetzt den Rest des Abends beschäftigen, bis sie nach Hause kam und im Wörterbuch nachschlagen konnte. » Tolle Party übrigens.«
» Hör zu, Eve…« Martyn breitete die Arme aus und lächelte verlegen. Neve mochte zwar keine Ahnung vom Flirten haben, aber sie wusste, wann ihre Zeit abgelaufen war.
» Ich heiße Neve«, korrigierte sie ihn sanft. » Und ich weiß, du bist nur rübergekommen, weil du gedacht hast, dass Celia mit dir reden will, als sie dir zugewinkt hat. Stattdessen hast du jetzt mich an der Backe.«
» Nein, nein, das ist es nicht«, protestierte Martyn. » Du bist bestimmt echt nett… Du bist echt nett, aber mein Kollege hat gerade eine Runde ausgegeben, und ich sollte ihm beim Tragen helfen. Ist nicht persönlich gemeint.«
Neve nickte verständnisvoll. » Geh nur.«
» War echt nett, mit dir zu plaudern, Eve«, versicherte ihr Martyn und machte einen Schritt nach hinten. » Vielleicht sieht man sich ja später noch.«
» Klar.« Aber er hatte Neve bereits den Rücken zugekehrt. Nun, da sie wusste, dass selbst ein Mann, der seinen Lebensunterhalt mit Korrekturlesen verdiente, sie langweilig und unattraktiv fand, konnte sie eigentlich auch aufstehen und ungeniert ihre Strumpfhose samt Slip nach oben zurren. Gesagt, getan. Dann sank sie wieder zurück auf das Sofa und starrte auf ihre schwarzen
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