Was sich kusst das liebt sich
schleimiger vorgestellt. Dieser Max sah gar nicht übel aus mit seinen markanten Wangenknochen, der vollen, weichen Unterlippe und den großen, dunklen, von unglaublich langen Wimpern umrahmten Augen. Nur seine Nase– leicht schief mit einer Tendenz zur Hakennase– bewahrte ihn davor, allzu hübsch zu wirken. Vermutlich hatte ein eifersüchtiger Mann sie ihm einmal gebrochen. Sein Haar, das er sich ständig aus dem Gesicht strich, sah aus, als müsste es dringend gewaschen werden. Er trug ein zerknittertes schwarzes Hemd, eine an den Säumen ausgefranste Tweedhose mit Fischgrätmuster und ramponierte Converse-Turnschuhe.
Neve brauchte keine fünf Sekunden, um Max von Kopf bis Fuß zu betrachten und zu dem Schluss zu kommen, dass er nicht ihr Typ war. Sie war ganz sicher auch nicht sein Typ, jedenfalls nach den beiden Blondinen zu urteilen, mit denen er sich vorhin unterhalten hatte und die jetzt gackernd auf seinem Schoß saßen, während er den nächsten Anmach-Spruch an ihnen ausprobierte. » Also, seid ihr denn wenigstens Zwillinge? Ich hatte schon mal was mit Drillingen, aber noch nie mit Zwillingen.«
Celia schnaubte belustigt. » Zum Piepen, der Typ, nicht wahr?«
Neve fielen da ein paar ganz andere Ausdrücke dazu ein. Sie war gerade bei » Lackaffe« angekommen, als sie von einem kalten, harten, nassen Etwas am Hals getroffen wurde, und sie quiekte entsetzt auf, als der Eiswürfel in ihr Dekolleté rutschte. » Also hör mal, was…?«
» Hey, du Idiot, hast du meiner Schwester etwa gerade etwas in den Ausschnitt geworfen?«, blaffte Celia Max an. Neve versuchte derweil, den Eiswürfel aus dem engen Oberteil ihres Kleides zu fischen, aber er schmolz sofort zwischen ihren warmen Fingern, sodass ein Mini-Eisbach an ihrem Körper hinunterrann, der erst vom unüberwindbaren Bund ihrer figurformenden Strumpfhose gestoppt wurde. » Sag mal, spinnst du?«
Max musterte Neve flüchtig, dann wandte er den Blick ab, als wäre sie es nicht wert, auch nur eine Sekunde lang beachtet zu werden.
» Äh, ja, tut mir leid«, entschuldigte er sich unbekümmert und schenkte Celia ein breites Grinsen, so strahlend wie die Scheinwerferanlage eines Fußballstadions. » Der war eigentlich für dich bestimmt, Frechdachs. Du kannst nicht zufällig Russisch oder Polnisch oder so? Ich glaub nicht, dass die zwei Schnecken hier unsere Sprache sprechen.«
» Nein, tu ich nicht.« Celia tupfte umständlich auf Neves Dekolleté herum, obwohl diese sie daran zu hindern versuchte. Der Vorfall war ihr auch so schon peinlich genug, da konnte sie getrost darauf verzichten, dass sie von Celia wie ein Baby behandelt wurde, das gerade einen kleinen Unfall mit einer Ketchup-Flasche gehabt hatte. » Wie kannst du es wagen, Neve mit Eiswürfeln zu bombardieren?«
» Halt den Mund«, zischte Neve ihr aus dem Mundwinkel zu. » Du machst alles nur noch schlimmer.« Sie wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken, selbst wenn dieser Max gar keine Notiz von ihr zu nehmen schien. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Celia, was ihn jedoch nicht davon abhielt, die Nase in die Halsbeuge der kichernden, des Englischen offenbar nicht mächtigen Tussi zu vergraben, die auf seinem linken Knie saß.
» Ich sagte doch, es tut mir leid. Hör mal, gibt es vielleicht eine App, die mir verrät, welche Sprache sie sprechen, wenn ich eine von ihnen in mein iPhone hineinkichern lasse?« Max meinte die Frage offenbar todernst. » Und dann brauche ich noch eine App, die übersetzt, was ich sage; ich vergeude hier nämlich meine besten Sprüche.«
Celia kicherte. Was für ein absolut grauenhafter Typ, dachte Neve. Ein widerlicher, oberflächlicher Chauvinist, der Frauen, die seine klischeehaften Vorstellungen von weiblicher Schönheit nicht erfüllten, einfach übersah.
» Ich gehe jetzt, Celia«, erklärte Neve mit eisiger Stimme. Aber Celia hatte sich auf die Seite des Feindes geschlagen. » Ich wünschte, es gäbe eine App, die mir bei jedem Kleidungsstück, das ich kaufen will, sagt, ob eine meiner Freundinnen es bereits hat«, faselte sie.
» Celia!«
» O.K., O.K., nun komm mal wieder runter«, brummte Celia und erhob sich. » In einer halben Stunde werden wir ohnehin rausgeworfen; da können wir genauso gut bis zum Schluss bleiben. Bis nachher, Max.«
Max machte sich nicht einmal die Mühe zu antworten. Er hatte das Gesicht schon wieder in der Tussenhalsbeuge versenkt und winkte nur träge in ihre Richtung.
» Was für ein absolut grauenhafter Kerl«,
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