Was sich kusst das liebt sich
Lackleder-Spangenschuhe, bis sich Celia und ihre Mitbewohnerin Yuri rechts und links von ihr niederließen.
» Na, wie ist es mit Martyn gelaufen?«, erkundigte sich Celia neugierig, während sie Neves Glas gegen ein volles austauschte, dabei konnte sich Neve nicht erinnern, das erste geleert zu haben.
» Gar nicht. Kann ich jetzt bitte nach Hause gehen?«
» Ich habe Celia gleich gesagt, dass das mit dir und diesem Martyn nichts wird«, meinte Yuri verschwörerisch. Würde Yuri nicht praktisch jeden Morgen im Pyjama an Neves Tür klopfen, um sich Tee oder Milch oder ab und zu auch einen sauberen Teelöffel auszuleihen, dann fände Neve sie wohl genauso Furcht einflößend wie ihr großer Bruder Douglas, der immer behauptete, Yuri sei die Furcht einflößendste Frau auf Erden– was einer gewissen Ironie nicht entbehrte, wenn man bedachte, mit wem er verheiratet war. Neve hatte jedenfalls noch nie zuvor eine Japanerin mit Afrolook kennengelernt, geschweige denn eine, die– dank der Sprachschule in New Jersey, an der Yuri Englisch gelernt hatte– redete wie Carmela, die Gattin des Mafiabosses aus der Fernsehserie Die Sopranos. Wäre Celia nicht vor einem Jahr mit Yuri im Schlepptau aus New York zurückgekehrt, und wäre Neve nicht Celias ältere Schwester, was ihr in Yuris Augen automatisch » elf Milliarden Coolness-Punkte« einbrachte, dann hätte Yuri sie wahrscheinlich gar nicht zur Kenntnis genommen. Und dann würde sie jetzt auch nicht so gut gelaunt sämtliche Gründe aufzählen, warum Martyn nicht der Richtige für Neve war.
» Er trinkt Bier mit Limo und schwitzt wie ein Schwein«, schloss Yuri soeben verächtlich. » Deine Schwester hat echt etwas Besseres verdient, Celia.«
» Der war doch bloß zum Aufwärmen gedacht.« Celia setzte ihren nachdenklichen Gesichtsausdruck auf. » Wie wär’s mit einem Model? Männliche Models sind gar nicht so schwer rumzukriegen wie die Leute immer meinen. Sie sind fürchterlich unsicher, was ihr Aussehen angeht, sprich, da liegt die Latte nicht besonders hoch.«
» Vielen Dank auch«, fauchte Neve und schüttelte sich verärgert. » Hör mal, es war nett von dir, mich mitzunehmen, aber ich bin hier total fehl am Platz. Alle sind hip und attraktiv, und ich komme mir vor wie eine spießige alte Jungfer.«
» So ein Unsinn!«, schnaubte Celia. » Dein kleines Schwarzes ist total cool.«
» Klein ist wohl kaum der passende Ausdruck«, widersprach Neve. » Ich fühle mich überhaupt nicht wohl in meiner Haut, und außerdem glotzt uns der Knabe da drüben schon seit fünf Minuten an.«
Als Yuri und Celia zur Bar hinüberschauten, hob der Betreffende beifällig grinsend sein Glas. Es schien ihn nicht zu stören, dass die drei ganz offensichtlich über ihn redeten.
» Der glotzt nicht, er fickt uns mit Blicken«, klärte Yuri Neve auf.
» Er tut was?«
» Max fickt jede Frau mit Blicken«, meinte Celia nonchalant. » Er ist einer unserer wichtigsten freien Autoren und ein richtiger Playboy. Und er ist definitiv kein Mann, an dem du deine Flirtkünste erproben solltest, Neve. Der vernascht dich mit einem einzigen Bissen und hat danach noch Platz für ein ausgiebiges englisches Frühstück.«
Obwohl Neve eben noch versucht hatte, ihn zu ignorieren, spähte sie nun angestrengt durch den Disconebel und die blinkenden Lichter, um diesen sexbesessenen Journalisten, der inzwischen mit zwei hübschen Blondinen flirtete, etwas genauer in Augenschein zu nehmen.
» Also, ich schätze mal, er hat euch beide mit Blicken ge…dingst, nicht mich– und selbst wenn: Ich bin durchaus in der Lage, auf mich selbst aufzupassen«, versicherte Neve ihrer Schwester und tätschelte ihr die Hand, weil Celia plötzlich irgendwie nervös wirkte und ganz rot angelaufen war, was aber auch an ihrem Vintage-Overall aus Polyester liegen konnte.
» Nein, bist du nicht«, erwiderte Celia nachdrücklich. » Du hast null Erfahrung mit solchen Männern. Du hast immer ein so behütetes Leben geführt.«
» Du machst tatsächlich einen recht unschuldigen Eindruck, Neve«, pflichtete Yuri ihr bei. » Du hattest doch schon mal Sex, oder?«
Neve hätte sich beinahe an ihrem Wein verschluckt. » Natürlich! Äh, glaube ich zumindest. Ich meine, wir hatten angefangen, aber es tat ziemlich weh. Es war einfach grauenhaft… Ach, ich will nicht darüber reden.«
Sie verschränkte die Arme und warf Celia einen finsteren Blick zu. Celia war der einzige Mensch auf der Welt, den Neve mit diesem Blick bedachte.
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