Was sich liebt, das küsst sich - Gibson, R: Was sich liebt, das küsst sich - Nothing but Trouble
der gesunden Hand die Tür auf. Auf seiner Veranda stand die Betreuerin mit der großen Sonnenbrille und den gelb-rosa Haaren. Ihre Krücke von Honda parkte hinter ihr in der Einfahrt. »Sie schon wieder.«
Sie grinste. »Guten Morgen, Mr Bressler.«
Sie sah aus wie in bunte Federn gehüllt. Wie ein Pfau. Ein Pfau mit großen Brüsten. Wie waren die ihm entgangen? Vielleicht wegen der Schmerzen. Höchstwahrscheinlich aber wegen der hässlichen orangefarbenen Jacke.
»Gefällt Ihnen die Tunika?«
Er hob den Blick und sah ihr in die Augen. »Die haben Sie nur angezogen, um mich zu ärgern.«
Sie grinste noch breiter. »Warum sollte ich Sie ärgern wollen? «
DREI
Chelsea schob sich die Sonnenbrille ins Haar und sah zu dem Mann auf, der im natürlichen Licht stand, das in den Eingang fiel. Sein feuchtes Haar war aus dem Gesicht gekämmt und lockte sich um die Ohren und am Halsausschnitt seines strahlend weißen T-Shirts. Unter dunklen Brauen sah er sie finster an; die Verärgerung, die in seinen braunen Augen funkelte, ließ keinen Zweifel an seiner Einstellung zu ihr. Er war unrasiert, und ein dunkler Bartschatten überzog seine Wangen und sein kräftiges, markantes Kinn. Er sah groß, böse und dominant aus. Düster und bedrohlich, und hätte er nicht die längsten Wimpern gehabt, die sie je bei einem Mann gesehen hatte, wäre sie vielleicht eingeschüchtert gewesen. Aber in seinem kantigen, maskulinen Gesicht waren sie so deplatziert, dass sie unwillkürlich lächeln musste.
»Wollen Sie mich nicht hereinbitten?«, fragte sie.
»Verschwinden Sie, wenn ich es nicht tue?«
»Nein.«
Sekundenlang musterte er sie kritisch. Dann wandte er sich ab und lief über den Steinfußboden vor ihr her. Wie sie schon gestern bemerkt hatte, bewegte er sich langsamer als andere Männer seines Alters. Sein Gehstock bildete eine nahtlose Verlängerung seiner linken Hand. Noch nicht aufgefallen war ihr jedoch, dass er den Stock auf der linken Seite einsetzte – auf der falschen. Hätte es nicht diesen Riesenwirbel
um Gregory House gegeben, der in der Krankenhausserie Dr. House seinen Stock auf der falschen Seite benutzte, wäre es ihr vielleicht auch jetzt nicht aufgefallen. Die Drehbuchschreiber der Serie hatten einen Fehler gemacht, aber Mark Bressler gebrauchte ihn vermutlich auf der falschen Seite, weil er an der rechten Hand eine Schiene aus Aluminium mit einem blauen Klettverschluss trug.
»Heute gibt es für Sie nichts zu tun«, knurrte er sie über die Schulter an. »Gehen Sie wieder!«
»Mir liegt Ihr Terminplan vor.« Sie schloss die Haustür hinter sich, und die acht Zentimeter hohen Absätze ihrer Sandalen klapperten auf dem Marmorboden, als sie ihm in ein großes Arbeitszimmer voller Eishockey-Souvenirs folgte. »Sie haben um zehn Uhr dreißig einen Termin bei Ihrem Orthopäden und um dreizehn Uhr ein Interview mit Sports Illustrated im Spitfire.«
Er lehnte seinen schwarzen Stock an die Ecke eines massiven Mahagonischreibtischs und wandte sich zu ihr. »Ich mache das Sports Illustrated -Interview heute nicht.«
Chelsea hatte schon für viele schwierige Kandidaten gearbeitet. Es war ihre Aufgabe, sie dahin zu kriegen, wo sie sein sollten, auch wenn sie keine Lust hatten. »Es ist schon zweimal verschoben worden.«
»Es kann auch ein drittes Mal verschoben werden.«
»Warum?«
Er sah ihr in die Augen und verkündete: »Ich muss zum Frisör.« Entweder war er ein schlechter Lügner oder ihm war völlig egal, ob sie wusste, dass er log.
Sie zog ihr Handy aus der Handtasche. »Haben Sie irgendwelche Vorlieben?«
»Wobei? Beim Haareschneiden?« Er zuckte mit den
Achseln und ließ sich behutsam in einen großen Ledersessel sinken.
Chelsea wählte die Nummer ihrer Schwester, und als Bo ranging, sprudelte sie hervor: »Ich brauch den Namen eines guten Haarsalons.«
»Himmel! Keine Ahnung«, antwortete ihre Schwester ratlos. »Warte mal kurz. Ich frag Jules. Er steht direkt neben mir.« Chelsea lief ans Fenster und schob den schweren Vorhang beiseite, um nach draußen zu schauen. Der gestrige Streit mit ihrer Schwester beschäftigte sie noch immer. Wenn selbst der Mensch, dem sie am meisten vertraute, sie für eine Versagerin hielt … Stimmte es dann?
Bo kam zurück ans Telefon und gab ihr den Namen und die Telefonnummer eines Salons in Belltown durch. Chelsea legte auf und wählte. »Drücken Sie die Daumen«, meinte sie, als sie sich wieder zum Zimmer wandte.
»Sie vergeuden Ihre Zeit«, murrte Mark,
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