Was sich liebt das raecht sich - Roman
Einladung angenommen hatte, ohne sie auch nur zu fragen, aber wahrscheinlich hatte die dicke elfenbeinfarbene Karte mit dem leuchtend roten Rand und der schnörkeligen Schrift Eindruck auf ihn gemacht.
Sie sorgte sich über all die möglichen Fauxpas, die sie auf einem solchen Fest begehen könnte, hielt dann allerdings plötzlich inne und dachte an Ace, der Tausende von Meilen entfernt in Los Angeles geblieben war. Da er drei Monate zu früh geboren war, als Kitty Judd auf eine Geschäftsreise nach England begleitet hatte, wäre er bei der Geburt beinahe gestorben, und das Bild von ihm, wie er zusammengerollt im Brutkasten gelegen hatte, während eine Reihe Schläuche für ihn atmeten, hatte sich ihr für alle Zeiten eingeprägt. Daher hatten sie ihn alle immer fürchterlich verwöhnt, was ihnen jedoch, da er einfach ein liebenswertes Wesen hatte, nicht besonders schwergefallen war.
Kitty seufzte. Sie vermisste Ace entsetzlich, aber sie verabscheute die Art, in der ihm Judd den Vorzug vor den beiden anderen Jungen gab. Er überhäufte Ace mit Autos und mit Wohnungen und sponserte sogar sein NASCAR-Team. Obwohl Aces flotter Lebensstil und sein Verschleiß an Frauen ihm eindeutig gefielen, fand der Kritiker in ihm noch immer einen Grund, sich zu beklagen, weshalb Aces beständige Versuche, seinen Vater zu beeindrucken, von vornherein zum Scheitern verurteilt waren, ging es Kitty traurig durch den Kopf.
Sie nahm ein paar von ihren Kleidern mit nach unten, um sie Martha vorzuführen, und fragte sich, wie es der Schwiegertochter nach dem Umzug ging. Es erfüllte sie
mit Sorge, dass Sebastian seiner Frau mit seiner ständigen Kritik das Leben zur Hölle machte. Sie war viel zu sanft, um sich gegen ihn zu wehren, doch genau das hätte er gebraucht. Aber sie hatte gut reden, rief sich Kitty traurig in Erinnerung. Wann hatte sie sich schließlich selbst zum letzten Mal gegen Judd zur Wehr gesetzt? Hatte sie das überhaupt jemals getan?
Kitty legte ihre Kleider über einem Sessel im Wohnzimmer ab und fasste den Entschluss, in Zukunft mehr für Martha da zu sein. Frauen wie sie sollten zusammenhalten, oder etwa nicht?
»Wo ist Martha?«, wollte sie von Elliot wissen, als ihr Sohn von seinem Buch aufsah. Er saß auf einem der unbequemen, mit Seide bezogenen Stühle, die Judd bestellt hatte, und sah alles andere als glücklich aus.
»Die Arme ist in ihrem Zimmer und weint sich die Augen aus dem Kopf«, klärte er Kitty stirnrunzelnd auf und hielt ihr Die Schönen und Verdammten von F. Scott Fitzgerald hin. »Das wäre ein tolles Theaterstück.«
Kitty lächelte. Mit seinen grüblerischen grauen Augen und dem wirren blonden Haar war er ein zukünftiger Herzensbrecher, gleichzeitig aber auch der Intellektuelle der Familie. Es war allgemein bekannt, dass Sebastian seinen Abschluss als Jurist einzig dank einer großzügigen Spende Judds bekommen hatte, und bereits in jungen Jahren hatte Ace von Rennwagen geträumt und sich nie länger als ein paar Minuten auf das Lernen konzentriert, wohingegen Elliot durch und durch ein Kopfmensch und deswegen für die Horden kichernder junger Mädchen, die ihm an der Schule in den Staaten hinterhergelaufen waren, völlig blind gewesen war.
Weshalb er keine Freundin hatte, konnte Kitty einfach nicht verstehen. Doch vielleicht fände er ja irgendwann Gefallen an einem hübschen Mädchen hier. Elliot hatte
sich mit keinem Wort über den Umzug nach England beschwert, aber Kitty wusste, dass er in dem fremden Land genauso hilflos war wie sie und dem ersten Tag an seiner neuen Schule voller Furcht entgegensah. Er war sechzehn Jahre alt, und seine Freunde und das Surfen fehlten ihm wahrscheinlich sehr. Judd hasste es, dass Elliot keinen Spaß an Machosportarten wie andere Jungen hatte, und sie konnte sich noch ganz genau daran erinnern, dass ihr Mann einmal grausam angezweifelt hatte, tatsächlich der Vater eines so sensiblen, künstlerisch begabten Jungen zu sein.
Elliot spürte ihren Blick, legte sein Buch zur Seite und wies auf den Kleiderhaufen, der über der Sessellehne lag. »Überlegst du, was du zu der Party anziehen sollst?«
»Es ist keine Party, sondern ein Ball .« Kitty reichte ihm die Einladung und sah ihn hilflos an. »Ich habe keinen blassen Schimmer, welches Kleid ich nehmen soll.«
Elliot runzelte die Stirn und las den Text der Einladung laut vor. »Wir laden Sie herzlich zum Valentinsball ein.« Er starrte seine Mutter an. »Mom, diese Party steigt bei Charlie
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