Was sich liebt das raecht sich - Roman
stand sie auf der Koppel von Pembleton, strich einer verflohten Mähre liebevoll über die Nüstern und murmelte, als das Tier unter der Berührung furchtsam zitterte: »Ganz ruhig, altes Mädchen. Jetzt bist du in Sicherheit.« Wie konnte dieser widerliche Bauer es nur wagen, Pferde derart zu misshandeln!, dachte sie erbost. Die Sorge um Tiere war ihre neue Leidenschaft. Seit sie ein paar Jahre zuvor einen wohltätigen Verein zur Rettung misshandelter Kreaturen gegründet hatte, hatte sie alle Hände voll zu tun. Die Arche Noah wurde mit Tantiemen ihrer Lieder und Spenden wohlhabender Dorfbewohner finanziert, das meiste Geld jedoch brachten ihnen Spendengalas wie der alljährlich von ihr veranstaltete Mittsommerball ein.
Sie runzelte die Stirn, da in ihrem Kopf erneut die Melodie erklang, die ihr vor ein paar Tagen eingefallen war. Das war ihr nicht mehr passiert, seit sie ihre Popkarriere aufgegeben hatte, denn für das Schreiben irgendwelcher Songs ließen ihr die Tiere und ihre Familie einfach keine Zeit.
»Oh, das arme Ding!« Keuchend tauchte Caitie bei der Koppel auf. Sie hatte ihre langweilige braun-weiße Uniform mit einer Strumpfhose mit pinkfarbenen Herzen, die eindeutig nicht Bestandteil ihrer Schultracht war, und mit ihren Lieblings-Bikerstiefeln aufgepeppt. »Himmel, lass bloß nicht Iris diese Stute sehen, sie bräche bestimmt in Tränen aus.« Sie zog eine Grimasse und fügte hinzu: »Für
die Arbeit mit Tieren hat sie einfach ein viel zu weiches Herz. Aber sobald Daddy es endlich erlaubt, wird sie ja sowieso eine berühmte Sängerin, nicht wahr?«
Auch Tavvy verzog das Gesicht. Sie dachte lieber nicht darüber nach, dass Lochlin Iris vielleicht weiter daran hindern würde, endlich ihren großen Traum zu leben, da das ihrer Ältesten das Herz brechen würde. Sie übergab die Stute Petra, ihrer zeitweiligen Assistentin, und verfolgte, wie sie das geschundene Tier sanft in Richtung des Stalles zog. »Ich habe sie Moccachino genannt«, erklärte Tavvy ihrer Tochter, und ihr Ton verriet, wie wütend sie noch immer war. »Weil ihr dieser ekelhafte Kerl, vor dem ich sie gerettet habe, nicht mal einen Namen gegeben hat.« Sie hakte sich bei Caitie ein, und sie gingen zurück zum Haus.
Caitie blickte ihre Mutter lächelnd von der Seite an. Mit ihren von der Kälte geröteten Wangen war sie viel hübscher als die Mütter aller ihrer Freundinnen, ging es ihr durch den Kopf.
»Also, was in aller Welt soll ich zu dem Valentinsball anziehen?«, wollte sie von Tavvy wissen. »Jasmine kann nicht kommen, da sie dann noch immer mit ihren Eltern in Italien ist, sodass ich den Zwillingen allein ausgeliefert bin. Deshalb muss ich so gut wie möglich aussehen.« Als geborene Schauspielerin riss sie die grünen Augen auf, klapperte mit ihren Wimpern und erklärte in gespielt unschuldigem Ton: »Vielleicht sollte ich einfach meine Schuluniform anziehen und als frühe Britney gehen … nur fahren dann wahrscheinlich überwiegend irgendwelche perversen alten Knacker auf mich ab.«
Tavvys Lippen zuckten. Die Valentine-Zwillinge sahen mit ihren blonden Haarverlängerungen und den übertrieben vollen Brüsten wie zwei aufgemotzte Barbiepuppen aus, wohingegen Caitie mit ihren fröhlich blitzenden Augen und den rabenschwarzen Locken eine natürliche
Ausstrahlung besaß. Caitie war ein leidenschaftlicher und forscher Mensch, der sich fast täglich neu verliebte und immer in allen Menschen nur das Gute sah. Sie vergötterte Kate Winslet und hatte die Absicht, beruflich in deren Fußstapfen zu treten, was bei dem Talent, das sie besaß, vielleicht kein bloßer Wunschtraum war.
»Schade«, murmelte Tavvy. »Iris und ich hatten vor, dir etwas zu leihen, aber wenn du irgendwelche alten Lüstlinge becircen willst, kannst du auch einfach in Öljacke und Gummistiefeln gehen.«
Caitie starrte sie entgeistert an. »Ich werde mir was von dir oder von Iris leihen«, versicherte sie ihrer Mutter und trat vor die Küchentür.
Lächelnd blickte Tavvy auf das Haus und dachte, wie einladend und heimelig es mit dem dunklen Holz und den verwitterten Terrakottawänden im abendlichen Sonnenlicht aussah. Lochlins Vater hatte Pembleton gekauft, als mit Shamrock endlich echtes Geld zu verdienen gewesen war.
Niall und seine Frau Colleen hatten Jahre damit zugebracht, das prächtige, doch halb verfallene Haus liebevoll für die Familie zu restaurieren, bis die grundsolide, innige Gemeinschaft durch die schreckliche Tragödie zerrissen worden war.
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