Was sich liebt das raecht sich - Roman
gefahren, oder, Dad?« Kichernd steckte Iris einen Finger in ein Loch am Ellbogen des Kleidungsstücks.
Seine grünen Augen blitzten fröhlich auf. »Red doch keinen Unsinn, so senil bin ich noch nicht. Ich war nur kurz draußen und habe mit Erica telefoniert. Sie hat mir von diesem neuen Plattenlabel erzählt.« Er zog seine Frau in seine Arme, und sie schmiegte sich behaglich an ihn an.
Caitie schnalzte mit der Zunge. Manchmal konnten ihre Eltern wirklich furchtbar peinlich sein. Ständig fummelten sie aneinander rum und taten so geheimnisvoll, als gäbe es zwischen ihnen eine ganz besondere Verbindung, von der jeder andere ausgeschlossen war. »Das, von dem Shay gestern gesprochen hat? Dem Jett Musikverlag?«
Wieder einmal tauschten ihre Eltern viel sagende Blicke aus.
»Was war denn das?«
»Was?«, wich Lochlin seiner Tochter aus.
»Dieser Blick! Als ob ihr beiden ein Geheimnis hättet, von dem wir nichts mitbekommen sollen.«
»Red doch keinen Quatsch«, fuhr Tavvy Caitie ungewöhnlich rüde an, wandte sich ab und stieß gegen Shays breite Brust.
»Aber hallo, Mum!« Ihr hünenhafter, breitschultriger Sohn betrat den Raum. »Gott, ich habe einen Bärenhunger. Ich habe den ganzen Tag noch keinen Bissen zwischen die Zähne gekriegt.«
Er warf sich auf einen Stuhl, schnupperte in der Hoffnung, dass – auch wenn seine Familie kulinarisch nur aus Nichtskönnern bestand – jemand mit Kochen angefangen hatte, und griff nach der neuesten Ausgabe des NME .
»Ich habe gehört, dass die Zwillinge auf dem Ball Dolce & Gabbana tragen«, klärte Caitie ihn mit Grabesstimme auf. Es war einfach unglaublich, dass ihr Bruder in dem alten grauen Kaschmirpulli und der abgewetzten schwarzen Jeans derart chic aussah.
Shay schüttelte sich gespielt entsetzt. »Uh! Bereits bei dem Gedanken an die beiden wird mir schlecht. Sie laufen immer wie lebende Warnungen vor Geschlechtskrankheiten rum.«
Iris starrte ihn entgeistert an. »Sei nicht so gemein, Shay, sie sind manchmal einfach etwas … übereifrig.«
»Du meinst wohl eher übersexualisiert«, gab Shay zurück. »Du bist einfach viel zu nett, Iris. Die beiden sind das reinste Gift.«
Caitie sah ihn mit einem boshaften Lächeln an. »Und wie geht es der schicken Saskia?«, fragte sie. Saskia war Shays momentane Freundin, und da Shay die Freundinnen so häufig wechselte wie andere Männer ihre Unterwäsche, war es wirklich überraschend, dass er noch immer mit ihr zusammen war.
»Bestens.« Fröhlich zupfte Shay an einer ihrer rabenschwarzen Locken. »Vor allem ist sie viel netter als du. Wenn du weiter eine solche Ziege bist, kriegst du nie ’nen Freund.«
»Ach nein?« Caitie machte eine Pause, kniff die Augen zusammen und fügte hinzu: »Ich glaube doch. Weil schließlich auch die meisten deiner Freundinnen echt blöde Kühe waren.«
Shay brach in brüllendes Gelächter aus. Er würde Caitie sicher nicht erzählen, dass ihm Saskia anfangs nicht
nur wegen ihrer überraschenden Begeisterung für etwas schrägen Sex so gut gefallen hatte, sondern weil sie ihm tatsächlich als »die einzig Richtige« erschienen war. Aber im Verlauf der Zeit war ihm bewusst geworden, dass sie weniger Gemeinsamkeiten hatten, als er angenommen hatte, und er wusste, dass er, ehe es noch ernster zwischen ihnen würde, besser einen Schlussstrich zog.
Er seufzte leise auf. Es war nicht Saskias Schuld, doch er wollte ganz einfach mehr. Er wollte eine Frau, die Musik genauso liebte wie er selbst, die endlos über Jazz und Louis Armstrong diskutieren konnte, eine Frau, die intellektuell, intelligent und aufregend war. Er sehnte sich nach wahrer Leidenschaft, die er, auch wenn es traurig war, für Saskia einfach nicht empfand.
»Charlie hat mir einen neuen Text geschickt!«, heulte Lochlin gequält. »Er liegt mir ständig wegen seiner stagnierenden Karriere in den Ohren, und ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich meine, meine Güte, ich halte wirklich viel von Chas, aber schließlich bin ich, verdammt noch mal, kein Zauberer.«
Shay hätte gern etwas dazu gesagt, hielt allerdings den Mund und tauchte wieder hinter seiner Zeitschrift ab. Sein Vater war im Augenblick nicht unbedingt empfänglich für gute Ratschläge von ihm, also hielt er die Klappe, auch wenn er sich sicher war zu wissen, wie sich neuer Schwung in Charlies Karriere bringen ließ.
Shay hatte sich in der Schule stets gelangweilt und handelte auch im Beruf weniger nach dem Lehrbuch als vielmehr instinktiv. Nachdem
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