Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Neurologen schwer. Van Campen zählt allein sieben unterschiedliche Theorien auf, die derzeit im Rennen sind.
Die meisten dieser Erklärungsansätze sind sich zumindest darin einig, dass die für die Verarbeitung von Sinnesdaten zuständigen Neuronen in den Gehirnen von Synästhetikern irgendwie anders verschaltet und untereinander stärker vernetzt sind. Synästhetikergehirne laufen mit DSL, während die meisten Menschen mit Analog-Modems vorliebnehmen müssen, illustriert der Psychiater und Synästhesieexperte Markus Zedler den Unterschied Anfang 2011 in der Zeitung Die Welt . Und fügt im Hinblick auf die häufig stark ausgeprägte kreativeBegabung von Synästhetikern hinzu: „Ihre Kunst ist facettenreicher, blumiger, weil sie sie emotional stärker erleben.“
Dehaene vermutet als Ursache für die farbliche oder räumliche „Ausschmückung“ unserer Zahlenvorstellung die evolutionäre Entwicklung von sogenannten kortikalen Karten für Raum, Zahlen und Farben im Gehirn. Bei einigen Personen sind diese Bereiche nicht wie bei den meisten fein säuberlich getrennt, sondern überlappen sich, was dann zu den geschilderten synästhetischen Effekten führt.
Das Phänomen erschöpft sich nicht in der farblichen Ausgestaltung und räumlichen Verortung von Zahlen. Bei einigen Synästhetikern lösen Zahlen Assoziationen aus, die weit über solche grundlegenden Sinnesempfindungen hinausgehen. Schon bei Galton findet sich die folgende bemerkenswerte Schilderung einer Person, die seit ihrer Kindheit die Zahlen als Persönlichkeiten charakterisiert: „9 ist ein wundervolles Wesen, vor dem ich beinahe Angst hatte. 8 hielt ich für seine Frau, und es schien immer passend, dass 9 x 9 so viel mehr ist als 8 x 8. 7 ist wieder maskulin. 6 hat kein bestimmtes Geschlecht, ist aber sanft und aufrichtig; 3 eine schwächliche Ausgabe der 9 und im Allgemeinen fies; 2 jung und munter; 1 ein gewöhnliches Arbeitstier. In diesem Stil bestand das gesamte Einmaleins aus Handlungen menschlicher Personen, die ich mochte oder nicht mochte und die, wenn auch nur vage, menschliche Form besaßen.“
Mein Freund, die 4
Auch Daniel Tammets Kopf ist bevölkert von bunten Zahlenwesen, die alle ihren eigenen Charakter haben: „Zahlen sind meine Freunde, und sie sind ständig um mich. Jede ist einzigartig und hat ihre ganz eigene ‚Persönlichkeit‘. Elf ist freundlich und Fünf ist laut, während Vier still und schüchtern ist – sie ist meine Lieblingszahl, vielleicht weil sie mich an mich selbst erinnert. Einige Zahlen sind groß, wie 23, 667, 1179, andere klein, wie 6, 13, 581. Einige sind schön, wie 333, und einige hässlich, wie 289. Für mich ist jede Zahl etwas Besonderes.“
Daniel Tammet ist kein gewöhnlicher Synästhetiker, sondern unter diesen besonders begabten Menschen ein ganz spezieller Fall. Er leidet unter dem Asperger-Syndrom, einer milden Form von Autismus.Und er ist ein Savant. Das Savant-Syndrom, im Deutschen spricht man auch von Inselbegabung, ist äußerst selten, von den sogenannten Super-Savants sind weltweit kaum mehr als einhundert Fälle bekannt. Savants sind in einem engen Bereich zu außergewöhnlichen kognitiven Spitzenleistungen fähig, was diese Superspezialtalente in der Regel mit Handicaps auf anderen, meist alltagsrelevanteren Feldern bezahlen. Manche Savants können in Sekundenbruchteilen zu jedem beliebigen Datum den jeweiligen Wochentag nennen, und zwar auch zu Daten, die Hunderte von Jahren in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen. Andere können ein Musikstück nach nur einmaligem Hören fehlerfrei nachspielen. Manche von ihnen haben ein fotografisches Gedächtnis oder sind in der Lage wie etwa der 2009 verstorbene Kim Peek – das Vorbild für Raymond Babbitt im Film Rain Man –, den Inhalt von Tausenden von Büchern Wort für Wort wiederzugeben. Die meisten sind entweder autistisch oder haben andere zerebrale Schädigungen. Viele von ihnen können kaum sprechen, wohingegen andere, darunter auch Tammet, Meister im raschen Erlernen von Sprachen sind. Die meisten haben große Probleme mit den gängigen Routinen sozialer Interaktion und leben in ihrer eigenen Welt. Tammet gehört zu den wenigen, die über ihre Wahrnehmungen und Fähigkeiten reflektieren und diese kommunizieren können, was er in seiner Autobiografie Elf ist freundlich und Fünf ist laut eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Für Tammet haben Zahlen reiche sinnliche Qualitäten, die einen ganzen Gefühlsraum aufspannen. Bei ihm
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