Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
Vom Netzwerk:
wir, dann vielleicht deshalb, weil sie alle diese Zahlen blitzartig addieren können, wohingegen wir bestenfalls jeweils in Zweierschritten zählen.“
    Auch Synästhetiker, Savants und Rechengenies zählen also nur. Doch wir können von ihnen lernen, dass Zahlen niemals nur „nackte Zahlen“ sind. Diese Zahlenfreunde besitzen ein eigenes, bei jedem von ihnen anders gefärbtes Sensorium für das, was man vielleicht tatsächlich die „Persönlichkeit“ von Zahlen nennen könnte. Ein solches Gespür mag den meisten Menschen fremd erscheinen, und es lässt sich kaum simulieren. Aber auch wenn uns die Fähigkeit zur außergewöhnlichen Zahlenwahrnehmung fehlt, so ist es doch faszinierend, sich dieser besonderen Seite der Sprache der Zahlen anzunähern.



V.
Gerade oder Ungerade?
    Große Blumen schenkt man in ungerader Zahl, das weiß jeder fachkundige Florist und jede parkettsichere Hausfrau. Woher dieses Gebot stammt, ist unklar, aber vermutlich waren es die Adepten des Freiherrn von Knigge, die im Geiste seines Manierenkanons erstmals Verbindlichkeit auch in diesem regulierungsbedürftigen Lebensbereich stifteten. Auf der Website Knigge.de jedenfalls findet sich der Hinweis: „Blumen sind ein sehr übliches und unverfängliches Mitbringsel  [...]. Bei Sträußen einer oder zweier Sorten achtet man darauf, dass eine ungerade Anzahl gewählt wird, wobei die Zahl 13 vermieden werden soll.“ Dass die Zahl 13 zu vermeiden ist, erklärt sich natürlich aus landläufigem Aberglauben. Interessanter wäre eine Begründung für das Beharren auf der ungeraden Anzahl, die der digitale Knigge jedoch verweigert.
    Ein Hinweis findet sich auf der Website Wer-weiss-was.de, wo eine Lisa schreibt: „Die Regel, dass man große Blumen in ungerader Zahl schenkt, liegt in der Ästhetik begründet. Eine ungerade Zahl von Blumen lässt sich besser in der Vase arrangieren.“ Auf Gutefrage.net fällt die Begründung der Laien-Experten ähnlich aus: „Drei Baccara-Rosen gehen gut, vier sind seltsam :-)“. Gefühlt sicher richtig, trotz Smiley, aber warum ist das so? Im Standardwerk Florales Gestalten von Dr. Karl-Heinz Deutschmann und Horst Hempel aus der Spätphase der DDR findet sich auf den ersten Blick zwar kein Hinweis zu den Gründen der ungeraden Stückzahl, dafür aber schöne Stilblüten wie diese: „Der im Strauß erkennbare Charakter einer Blumengemeinschaft muss in der Vasenfüllung erhalten bleiben.“ Unter dem Stichwort „Ordnen der Blumen in der Vase“ wird jedoch die Bedeutung der Mittelblume hervorgehoben: „Man beginnt am Rand mit den Außenblüten, die einen offenen Trichter in der Vase bilden. In die sich im Gefäß kreuzenden Stiele lassen sich vorsichtig die inneren Blumen einführen. Eine besonders schöne Blume schließt die Füllungin der Mitte ab.“ Stellt man sich den Strauß in die zweidimensionale Fläche projiziert vor, liegt es auf der Hand, dass sich eine ungerade Zahl für das Arrangement um eine prominente Mittelblume herum besser eignet als eine gerade.
    Blumen sind prototypisch für Dinge, die besonders durch ihr Auftreten in größerer Stückzahl psychologische Wirkung entfalten. Man kann sogar sagen, das ist ihr einziger Job, denn wozu sind Blumen sonst da? Deshalb ist das Problem der zu verschenkenden Anzahl keineswegs banal, sondern führt zur Frage, welche unterschiedlichen Erlebnisqualitäten verschiedene Quantitäten beim Betrachter hervorrufen. Zwar lassen sich subjektive Erlebnisqualitäten – die Erkenntnisphilosophie spricht hier von „Qualia“ – nicht erfassen oder gar vergleichen: Wir können einem Blinden nicht erklären, wie es ist, die Farbe Rot zu sehen, und wir können nicht wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein. Kurz: Soviel wir auch darüber sagen können, wie Sinneseindrücke entstehen, können wir doch nichts darüber sagen, wie genau sie sich für jemand anderen anfühlen. Also können wir auch nicht wirklich beschreiben, wie es sich für jeden Einzelnen anfühlt, fünf, sechs oder sieben Blumen, Äpfel oder Kiesel zu sehen. Aber wirkönnen trotzdem bestimmte Gesetzmäßigkeiten und Muster der Gestaltung ausmachen, die sich aufgrund ihrer intersubjektiven Wirkung durchgesetzt und bewährt haben. Gerade oder ungerade – diese Frage zielt ebenso ins Zentrum grundsätzlicher Gestaltungsüberlegungen wie die nach der Wirkung von Symmetrien und den elementaren Bausteinen von Ordnung und Harmonie.

3, 5, 7 gehen immer
    Was für Blumen gilt, trifft offensichtlich

Weitere Kostenlose Bücher