Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
Vom Netzwerk:
Naturwissenschaften, aber steckte selbst noch tief in den hermetischen Glaubensüberzeugungen des Mittelalters. In den von ihm formulierten Bewegungsgesetzen der Planeten, die das kopernikanische Weltbild verfeinerten, erkannte er eine kosmische Harmonie. Die Lösungsformel des Weltgeheimnisses schlummerte demnach in der Geometrie: Die Umlaufbahnen der Planeten korrespondierten mit den fünf vollkommen regelmäßigen Körpern, die Platon ausführlich beschrieben hatte, und die göttliche Dreifaltigkeit spiegelte sich in der Dreidimensionalität des Raumes wider.
    Robert Fludd, ein kauziger Engländer adeliger Herkunft und Mitglied des Rosenkreuzer-Ordens, war dagegen überzeugt, die 4 sei die Schlüsselzahl des Universums und „Urquell der ewigen Natur“. Als Begründung diente ihm die herausragende Rolle der 4 in der Natur, angefangen bei den vier Jahreszeiten. Besonders die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde, die die Basis aller alchemistischen Transformationen bilden, hatten es Fludd angetan.
    Beide waren sich mit Rückgriff auf Pythagoras zumindest darüber einig, dass das Universum aus Zahlen aufgebaut sei, und lasen die Schriften des anderen anfangs mit großem Interesse, konnten sich aber bei der Frage nach der kosmischen Dominanz von 3 oder 4 nicht annähern. Im Gegenteil führte sie sogar zum Zerwürfnis. Kepler, der selbst sein Leben lang am Widerspruch zwischen Mystizismus und Aufklärung laborierte, hielt Fludds Theorien irgendwann für einen hoffnungslosen Fall rückständigen Aberglaubens – und jegliche weitere Beschäftigung damit für Zeitverschwendung. „Ich habe Berge berührt. Es ist ungeheuer, wie viel Rauch sie ausstoßen“, notiert Kepler resigniert.
    Das Zitat stammt aus dem Buch 137 von Arthur I. Miller, in dem es eigentlich um den Schweizer Physiker Wolfgang Pauli und dessen seltsame Freundschaft mit dem Psychoanalytiker C.G. Jung geht. Im Kapitel „3 oder 4?“ erzählt Miller (nicht zu verwechseln mit dem Erfinder der magischen 7!), wie die beiden den alten Streit um die Vorherrschaft der 3 oder der 4 ins 20. Jahrhundert und ins Herz der modernen Quantenphysik trugen. Die spannende Person in dieser Geschichte ist vor allem Wolfgang Pauli, der ohnehin eine schillernde Figur abgab. Neben wichtigen Durchbrüchen in der theoretischen Physik gehen auf ihn sowohl die mittlerweile kanonische Abkanzelung zurück, etwas sei „not even wrong“, als auch der Pauli-Effekt, wonach jedes technische Gerät unmittelbar den Geist aufgibt, wenn Pauli sich im selben Raum mit ihm befindet.
    Interessant für unsere Belange ist Pauli aber, weil er als Vertreter der modernen Physik eine große Faszination für die Frage der göttlichen Zahl hegte, sich seine Träume von C.G. Jung ausdeuten ließ und die Kontroverse zwischen Kepler und Fludd aufmerksam studierte. „Ich bin ja auf Kepler als Trinitarier und Fludd als Quaterianer gestoßen – und fühlte bei mir selbst, mit deren Polemik, einen inneren Konflikt mitschwingen“, schreibt Pauli, und weiter: „Ich habe gewisse Züge vonbeiden.“ Für Pauli stellte sich dasselbe Problem wie für Kepler, nur fand er die göttliche Harmonie der Planeten im Atommodell wieder, das nach Niels Bohr ein „Sonnensystem im Kleinen“ darstellte. Die 3 tauchte darin als Quantenzahl wieder auf, die den Zustand der Elektronen auf der Außenhülle des Atoms kennzeichnet. Paulis Ausschlussprinzip von 1924 besagt im Groben, dass keine zwei Elektronen in allen Quantenzahlen übereinstimmen können.
    Vor dem entscheidenden Schritt und wissenschaftlichen Quantensprung aber schreckte Pauli selbst lange zurück: der Feststellung, dass es vier und nicht drei Quantenzahlen sein müssen, die den Zustand des Elektrons kennzeichnen. Erst durch die Behandlung bei Jung fand er den Mut zu dieser folgenschweren Tat, die einen radikalen Bruch mit der Anschaulichkeit des Bohrschen Miniatur-Sonnensystems bedeutete. Diese zusätzliche – vierte – Eigenschaft wurde später „Spin“ genannt, und ihre Entdeckung brachte Pauli den Nobelpreis ein. Paulis wirre Träume, die Jung ausdeutete und die den Physiker zeitweilig fast in den Wahnsinn trieben, steckten „voller Dreiheiten und Vierheiten und anderer Inhalte, die aus der Wissenschaft des 17. Jahrhunderts stammten“, und ganz und gar nichts mit moderner Physik zu tun hatten. Vielleicht, spekuliert Miller, hatte Pauli beim Übergang von drei zu vier Quantenzahlen ein ähnliches Empfinden wie zuvor Kepler, „dass er da in

Weitere Kostenlose Bücher