Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
etwas hineingetappt ist, das jenseits der Grenzen reiner Naturwissenschaft liegt“.
Später spielte noch eine andere kosmische Zahl eine wichtige Rolle im Leben Wolfgang Paulis, deren physikalische Herleitung und Untermauerung ihn bis zum Ende seiner Karriere beschäftigen sollte: Die Feinstrukturkonstante, die die Stärke der magnetischen Wechselwirkung kennzeichnet, beträgt 1/137. Diese Zahl aber stammt aus dem Nichts der theoretischen Physik und hat – abgesehen davon, dass es sich bei der 137 um eine Primzahl handelt – keinen erkennbaren Bezug zur altertümlichen Zahlenmystik. Ironischerweise starb Pauli 1958 in einem Krankenhauszimmer mit der Nummer 137. Wenn man Gott Humor unterstellt, dann ist die 137 als Antwort auf die Frage nach der kosmischen Zahl eine ebenso gut gesetzte Pointe wie Douglas Adams’ Antwort auf die Frage nach „dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“, die da lautet: 42 (siehe Kapitel VII).
4 gewinnt!
Natürlich ist die Diskussion um die 3 und die 4, die Frage nach einer göttlichen, in der Natur fest verankerten Zahl, nicht entscheidbar. Vielmehr hat jede Zahl in diesem unteren Bereich ihre markanten Eigenheiten, und eine ergibt sich aus der anderen. Um die Harmonie zwischen den Zahlen von 1 bis 10 und gleichzeitig deren besondere Qualitäten ins Bild zu setzen, hatten die Pythagoräer eine einfache figürliche Anordnung von Zählsteinen. Die Tetraktys (wörtlich: Gruppe von vier) verkörperte für sie „Quelle und Wurzel der ewig strömenden Natur“. Ihre Vierstufigkeit – in der ersten Reihe liegt ein Stein, in der zweiten liegen zwei Steine, in der dritten drei und in der vierten vier – markierte für sie die Übergänge von Punkt zu Linie zu Fläche bis zum dreidimensionalen Körper, also jede erdenkliche geometrische Form. Zudem lassen sich die wichtigsten Zahlenverhältnisse an der Tetraktys ablesen, indem man die Zeilen zueinander ins Verhältnis setzt. Zusammengenommen ergeben die Reihen zehn Steine, was die Bedeutung der 10 für die Pythagoräer begründete. Als Kontur bilden die vier Reihen ein gleichschenkliges Dreieck mit vier Steinen als Basis, wodurch sich der Widerspruch von 3 und 4 zur Einheit auflöst. Auch die Bedeutung der 7 lässt sich aus der Tetraktys herleiten, weil sie als Summe aus den letzten beiden Reihen entspringt.
Über die Jahrhunderte hinweg hatte die Tetraktys vor allem Fans im Bereich der Grenzwissenschaften, bei Wunderheilern und Okkultisten. Die Alchemisten beriefen sich ebenso auf sie, wie es heute Astrologen und Anthroposophen tun. Aber nicht nur Esoteriker befleißigen sichderlei basaler Zahlenspiele, wie sie sich an der Tetraktys vollziehen lassen. Auch viele Größen der Literatur vollführten in ihren Werken numerische Kabinettstückchen und verfügten über ein elaboriertes eigenes Zahlen-Vokabular. In Thomas Manns Zauberberg wird die 7 geradezu zum Leitmotiv. Der Roman hat sieben Teile, die Hauptfigur Hans Castorp verbringt am Ende sieben Jahre im Lungensanatorium, in dessen Speisezimmer sieben Tische stehen, und er bewohnt dort Zimmer 34, was als Quersumme ebenfalls 7 ergibt.
Die bereits erwähnten Wahlverwandtschaften von Goethe sind minutiös anhand von Dreier- und Viererordnungen durchkomponiert und zudem um die Zahl 18 herum gestrickt, teilweise jedoch so verschlüsselt, dass der Roman regelrecht Züge eines Zahlenrätsels annimmt. Ottilie ist 18 Jahre alt, Eduard, „ein Mann in den besten Jahren“, genau doppelt so alt, nämlich 36, was man im Buch aber nicht erfährt und nur durch einige Knobelei herausbekommt. Die zwei Teile haben je 18 Kapitel, macht zusammen 36. Auch die erzählte Zeit umfasst genau 18 Monate, und zu allem Überfluss ist der Roman auch noch 1809 erschienen. „Das hat eine manieristische Durchkonstruiertheit, die dem Wahnsinn nahe ist“, befindet Jochen Hörisch, der all diese Bezüge und noch weitaus mehr herausgearbeitet hat und auch eine Erklärung anbietet: „Im Bereich des Nur-Ausgedachten gibt es keine andere Möglichkeit, als Ordnungssysteme zu schaffen. Ein zweites Motiv ist, aufzuzeigen, dass es Gesetzmäßigkeiten im Rücken der Beteiligten gibt, die diesen nicht transparent bewusst werden. Es gibt so etwas wie eine Tiefengrammatik, einen kulturellen Code, der über die Personen der Handlung bestimmt. Für Goethe waren das Zählen und das Erzählen keine getrennten Angelegenheiten.“
Goethe, davon ist Hörisch überzeugt, hat trotz seines grundlegend naturwissenschaftlichen
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