Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Ordnungszahl“, sie stiftet Ordnung und Orientierung: Oben, unten, rechts und links sind die gefühlten Dimensionen des menschlichen Körpers (vorne und hinten müsste man zur 6 ergänzen), die vier Himmelsrichtungen machen den Erdkreis navigierbar, und auch die Einsteinsche Raumzeit verfügt über vier Dimensionen.
Die Einteilung des Jahres in vier Jahreszeiten ist da schon weitaus weniger zwingend – in Indien etwa sind es mit Sommer, Winter und Monsun nur drei. Allenfalls gehen sie mit den vier in der Natur zu beobachtenden Mondphasen des Monats und den zwölf, also vier mal drei Monaten des Jahres einher. Aber es scheint einem menschlichen Grundbedürfnis zu entsprechen, einen Kreis wie eine Pizza Quattro Stagioni oder das Logo von BMW in Viertel zu unterteilen. Auch die vier Elemente der Alchemie wurden von Anfang an über die Gegensatzpaare „Feuer – Wasser“ und „Luft – Erde“ zu einem Koordinatenkreuz arrangiert.
Ein weiteres Viererraster, das wirkmächtig aus dunkler Vorzeit zu uns herüberragt, ist die auf Hippokrates von Kos, den Urvater der Medizin, zurückgehende Humoralpathologie. Danach stehen die vier Körpersäfte in Verbindung mit vier Grund-Wesensarten, den Temperamenten: Blut kennzeichnet den Sanguiniker, Schleim den Phlegmatiker, schwarze Galle korrespondiert mit dem Melancholiker, gelbe mit dem Choleriker. Obwohl wissenschaftlich längst widerlegt, glauben die Anthroposophen bis heute daran, und mit ihnen viele Alternativmediziner. Eigentlich verwunderlich, dass bei uns noch kein Wunderheiler auf die Idee gekommen ist, die Säfte- und Temperamentenlehre mithilfe der Blutgruppen 0, A, B und AB upzudaten und ihr so einen naturwissenschaftlichen Anstrich zu verpassen. In Japan ist der Volksaberglaube, man könne aus den Blutgruppen, den ketsueki-gata , Rückschlüsse auf den Charakter ziehen, weit verbreitet und spielt bei der Partnerwahl eine große Rolle. Die Frauenzeitschriften dort sind voll von nach den vier Blutgruppen aufgeschlüsselten Horoskopen.
Wie schon erwähnt, war auch C.G. Jung ein großer Verfechter der „Quaternität“ als archetypischer Struktur des Göttlichen und versuchte sogar, die christliche Trinität dahingehend zu pimpen, indem er die heilige Jungfrau Maria der göttlichen Dreifaltigkeit als gleichberechtigte vierte Größe zuschlug. Tatsächlich ist auch in der Offenbarung des Johannes bereits von den „vier Ecken der Welt“ die Rede, an denen vier Engel stehen und die vier Winde festhalten. Aber nicht nur in der abendländischen Esoterik und im Christentum steht die 4 symbolisch für die Weltordnung, in vielen Kulturen auf unterschiedlichsten Zivilisationsstufen nahm die Erde das Bild eines Rechtecks an. „Für die Chinesen“, berichten Schimmel und Endres, „war sie ein baldachinüberdachter Reisewagen und viereckig nicht nur in kosmologischer, sondern auch in planerischer Hinsicht: Felder, Häuser, Dörfer waren nach dem Prinzip des fang (Quadrat) aufgebaut.“ Bernhard Großfeld interpretiert den Übergang von der 3 zur 4 eher als kulturanthropologischen Sprung: „Der Nomade erlebt stärker die drei Dimensionen des Raumes, der Ackerbauer sieht eher auf die vier Seiten seines Landes.“
Damit stehen wir mit der 4 wieder fest auf dem Boden des Rationalismus. Grundstücke und Landkarten in Quadrate und Rechtecke zu parzellieren, hat praktische Gründe. Vieles, was am Reißbrett entsteht – Häuser, LKW, Waschmaschinen –, ist viereckig oder hat zumindest eine viereckige Grundfläche, weil damit schlicht am einfachsten zu konstruieren ist. Vor dem Aufkommen der computergestützten Landmark-Architektur à la Zaha Hadid oder Frank Gehry waren auch Gebäude meist kubusförmig, weshalb wir pars pro toto von den „eigenen vier Wänden“ reden. In Mannheim und den USA sind sogar die Innenstädte nach einem rechtwinkligen Blockraster aufgebaut, was sie zwar eintöniger macht, die Orientierung aber enorm erleichtert.
In der Vierer-Systematik finden wir uns zurecht. Deshalb sind viele Diagramme und Schaubilder als Koordinatenkreuze oder als Matrix mit vier Quadranten aufgebaut. Die bekannte Produktlebenszyklus-Matrix der Boston Consulting Group unterteilt das Produkt-Portfolio entlang der Achsen „Marktwachstum“ und „Eigener Marktanteil“ in die vier Kategorien „Poor Dogs“, „Question Marks“, „Stars“ und„Cash Cows“. Bei TNS Emnid mappt man kulturelle Phänomene, Begriffe und Marken im sogenannten „semiometrischen Raum“ zwischen
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