Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
würde man der 6 nicht gerecht, wenn man sie nur auf ihr erotisches Äußeres reduzierte. Denn sie verfügt auch über innere Werte.
Im Schatten der menschlichen 5 und der magischen 7 hat die 6 ihr eigenes Refugium abgesteckt und besitzt einen subtilen Charme, der vor allem Mathematik-Ästheten in Entzücken versetzt. Das hat damit zu tun, dass die 6 die erste perfekte Zahl ist. Mathematisch ausgedrückt: Die Addition ihrer Teiler 1, 2 und 3 ergibt wieder die Zahl selbst. Der Heilige Augustinus hielt die 6 deshalb auch in religiöser Hinsicht für die perfekte Zahl und erörtert in seinem Opus magnum Vom Gottesstaat sinngemäß, die 6 sei an und für sich eine vollkommene Zahl. Das sei sie nicht deshalb, weil Gott alle Dinge in sechs Tagen erschaffen hätte, im Gegenteil: Gott hätte gar keine andere Wahl gehabt, eben weil die 6 vollkommen sei. Und das bliebe sie auch, selbst wenn Gott überhaupt nichts erschaffen hätte. Bei Schimmel und Endres ist die 6 ebenfalls die „vollkommene Welt-Zahl“, und das Einzige, was aus heutiger deutscher Sicht überhaupt gegen sie spricht, ist die Assoziation mit der schlechtesten denkbaren Schulnote, dem gefürchteten „Sechser in Mathe“ (der in der Schweiz hingegen die Idealnote darstellt, was wieder einmal zeigt, dass die Schweiz einfach das glücklichere Deutschland ist).
Vermutlich ist es diese mathematische Vollkommenheit, die die 6 als verdoppelte 3 zu einem beliebten Grundraster für Gestaltung macht, insbesondere für Listen und Layouts. Auf der Website des Bildwissenschaftlers Edward Tufte (edwardtufte.com) findet sich im April 2003 der Blog-Eintrag eines David A. Nash, der berichtet: „Ich begegne häufig Regeln mit ‚sechs‘ als magischer Zahl für Bulletpoints. Heute stolperte ich über eine erweiterte Regel des American College of Radiology. ‚Folge der 666-Regel: Verwende nicht mehr als sechs Worte pro Bulletpoint, sechs Bulletpoints pro Chart und nur sechs reine Textcharts hintereinander.‘“ Nashs lakonischer Kommentar lautet, dass die Einschränkung auf sechs Textcharts zwar ein Segen sei, dass demnächst aber wohl jemand einfordern würde, die sechs Worte pro Bulletpoint dürften jeweils nicht mehr als sechs Buchstaben haben. Mit anderen Worten: Man soll es mit dem Schematismus auch nicht übertreiben.
Die sechs Augen eines Würfels, wie sie die Mode- und Bijouterie-Kette Six im Logo verwendet, können wir noch gut erfassen, in anderer Anordnung wird es schon schwieriger. Das einzige bekannte Logo mit sechs Elementen ist das des japanischen Autoherstellers Subaru, das dem Sternenbild der Plejaden nachempfunden ist. Ein großer und fünf kleine Sterne versinnbildlichen darin die sechs Unternehmen, die sich 1953 zu Fuji Heavy Industries zusammengeschlossen haben. Aber das Markenzeichen zählt nicht gerade zu den Sternstunden prägnanten Logo-Designs, und die Tatsache, dass es sechs Sterne sind, erschließt sich, wenn überhaupt, erst auf den zweiten Blick.
Eine ähnliche 5+1-Struktur findet sich auf dem berühmten Wappen der Medici: Es zeigt einen gelben Rossstirnschild mit 5 roten Kugeln, die von einer blauen gekrönt werden. Die Kugeln, sogenannte „Palle“, sollen Pillen darstellen, was auf die auch im Namen steckenden Wurzeln des florentinischen Adelsgeschlechts im Ärzte- oder Apothekerstand hindeutet. Ursprünglich, im 14. Jahrhundert, waren es einmal 12, zwischendurch acht Pillen, was anzeigt, dass die Zahl zumindest keinerlei repräsentative Bedeutung hatte. Die längste Zeit blieb es dann aber bei den sechs Kugeln, offensichtlich weil die optische Wirkung im Sechseck am überzeugendsten war. Die Anordnung der 6 als Sechseck findet sich in der Natur in Bienenwaben, Kristallen, Schneeflocken sowie in den Kohlenwasserstoff-Ringen wieder, die die Grundlage der organischen Chemie bilden – ohne Sechseck kein Leben, ließe sich verkürzt sagen.
Markanter und einprägsamer ist die 6 in der Form des Hexagramms, das aus zwei ineinander geschobenen Dreiecken gebildet wird. Besser bekannt als Davidstern, ziert es die Flagge Israels und ist das wichtigste Identifikationssymbol der Juden, während er durch das Naziregime als gelber „Judenstern“ zum aufgezwungenen Stigma wurde. Für die Gnostiker des Christentums stand er für die Vereinigung von Christus mit Sophia, der Göttin der Weisheit. Auch hier klingt wieder die Verbindung von 6 und Sex an, was sich im Buddhismus fortpflanzt, wo das sternförmige Hexagramm das zentrale Symbol des Tantras
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