Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
dreigeteilten Kreis bildet. Parodistisch auf die Spitze getrieben wird das Prinzipim Spike-Jonze-Film Adaptation , in dem Donald Kaufman, fiktiver Zwillingsbruder des Drehbuchautors Charlie Kaufman, ein trashiges Thriller-Script mit dem Titel „The Three“ teuer an den Mann bringt. Es handelt von einem Killer, der eine Geisel nimmt, und einem Cop, der ihn verfolgt. Am Ende stellt sich heraus, dass alle drei dieselbe schizophrene Person sind.
Dass die 3 – trotz des Dreiklangs von „Friede, Freude, Eierkuchen“ – so vollends harmonisch dann doch nicht ist und sich insbesondere dort, wo Personen- und Paarbeziehungen betroffen sind, aus der Dreieckskonstellation dramaturgische Funken schlagen lassen, hat nicht erst Tom Tykwer mit seiner Polyamorie-Schmonzette Drei vorgeführt. Nicht nur bei sexuellen Beziehungen wird es ab drei unübersichtlich. Der Antrag aus Schillers Bürgschaft , „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte!“, sollte wohl erwogen werden, denn Dreier-Konstellationen sind oft unberechenbar und fragil. In der Physik kennt man diesen Komplexitätssprung als Dreikörperproblem: Während sich das Verhalten zweier physikalischer Körper, etwa Kugeln auf dem Billardtisch, noch akkurat berechnen und vorhersagen lässt, kommt bei drei Himmelskörpern oder kollidierenden Billardkugeln die prinzipielle Unvorhersagbarkeit ins Spiel – das Chaos klopft an die Tür.
Trotzdem ist und bleibt die 3 (zusamen mit der 7 und der 10) der „Goldstandard“ unter den Zahlen. Ihre praktische Anwendbarkeit ist dadurch belegt, dass sie schon in der Bibel, später im römischen Recht und bis ins heutige Rechtssystem hinein die Gesetzeszahl schlechthin ist, wie Bernhard Grossfeld in Zeichen und Zahlen im Recht berichtet: „Eugen Huber, der Schöpfer des Schweizerischen Zivilgesetzbuches von 1907 sah darauf, ‚nie mehr als drei Absätze in einem Artikel zu vereinigen‘. Selbst im Amerikanischen Prozessrecht spielt die ‚magical number three‘ eine große Rolle.“
Auch bei Präsentationen und Pitches aller Art gilt die „Rule of Three“, und zwar als Drei-Bulletpoint-Regel. Nick Fellers, Coach und Fundraiser bei der amerikanischen Fundraising-Agentur ForImpact, rät seiner Klientel auf der Firmen-Website, jedes Anliegen und jede Rede danach zu strukturieren: „Die Rule of Three ist eine magische Formatierungshilfe. Vier Bulletpoints erscheinen als ‚zu viel‘, zwei als ‚nicht genug‘.“ Hingegen sei „die positive Wahrnehmung von Dreiergruppen im menschlichen Hirn hart verdrahtet“.
Ob hart verdrahtet oder kulturell gelernt, eignet sich der rhetorische Dreisatz hervorragend für die Produktion eingängiger Slogans, egal ob für Produkte oder politische Programme. Beispiele reichen von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ (Französische Revolution) über „Einigkeit und Recht und Freiheit“ (deutsche Nationalhymne) bis zu „Quadratisch. Praktisch. Gut.“ (Ritter-Sport). Somit erscheint es fast fahrlässig, dass die FDP sich 2001 ihrer drei bulletpointartigen Abkürzungspunkte im Logo entledigt hat, weil sie nicht mehr die „Drei-Punkte-Partei“ sein wollte. Eingeführt worden waren sie 1968 ganz bewusst und zeitgeistig-modern von Marketingstrategen als „werbliche Stopper“.
Wie dem auch sei: Befolgt man die Dreier-Faustregel, macht man in den seltensten Fällen etwas verkehrt. Niemand wird jemals fragen: Okay, aber wieso ausgerechnet drei? Eher schon: Warum nicht drei? In der Gestaltung ist die 3 somit ganz profan das Naheliegende, die erstbeste Lösung, die sichere Nummer.
… über 4 wissen wollten
Wo die 3 göttlich strahlt, ist die 4 weltlich, bodenständig und rational – auch wenn sie einen Rest mystisch-mythologischen Staubs aus dem Mittelalter nie ganz abschütteln konnte. Nach der primitivenFormel „1, 2, 3 ... viele“ ist die 4 die erste richtige Zahl, die das metaphysische Korsett sprengt und ganz praktisch zum Abzählen gebraucht wird. „Mit der Vier wird die Drei als Zählgrenze überschritten; ein Tabu gebrochen“, schreibt Bernhard Großfeld. Dazu muss man wissen, dass in vielen Religionen ursprünglich ein Zählverbot ähnlich dem islamischen Bilderverbot existierte und viele Gottesnamen vier Buchstaben haben: „Gott“, „JHWH“ (הוהי), „Zeus“ (Ζεύς) und auch das englische „Lord“. Indem man die 4 aussprach, maßte man sich also göttliche Allmacht an.
Für Schimmel und Endres ist die 4 hingegen „die materielle
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