Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Ägypter teilten ihre Zeit so ein, durch die biblische Schöpfungsgeschichte wurde dieser Standard nur festgeschrieben und gilt heute fast weltweit. Die Ableitung der Wochendauer aus Zu- und Abnahme des Mondes kommt jedoch nur ungefähr hin: Eigentlich handelt es sich bei den Mondphasen um kontinuierliche Übergänge, was eher die These stützt, dass die 7 schon vorher da war und lediglich der Vorsatz maßgeblich, sie auch in den Mondkalender hineinzugeheimnissen, frei nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht.
Ein anderer Erklärungsansatz für das 7-Phänomen speist sich aus der Hirnphysiologie, genauer: aus der „channel capacity“, mit der George A. Miller seine „magical number seven“ begründet (siehe Kapitel II). Wenn Peter Fischli und David Weiss in ihrem Büchlein Findet mich das Glück? fragen: „Ist sieben viel?“, kann man ihnen unumwunden antworten: Ja. Wenn bei vier schon die Zählgrenze beginnt, dann sind sieben Objekte definitiv mehr, als wir auf einen Blick erfassen können. Bis sechs gibt der Spielwürfel ein Muster vor, wie sich Punkte arrangieren lassen, sodass wir sie wie Ziffern auf einen Blick lesen können. Für sieben Punkte gibt es kein eindeutiges gelerntes Muster mehr. Deshalb ist die 7 selbst zur Chiffre für „viele“ geworden. „Pack Deine sieben Sachen!“ – das ist nicht als Aufforderung gemeint, die exakte Anzahl von sieben Gegenständen einzupacken, sondern eine unbestimmte Menge an Habseligkeiten, am besten alle, die man für die anstehende Reise brauchen könnte.
Bernhard Großfeld sieht die Ursache für die exponierte Stellung der 7 in der altertümlichen Fingerzählweise mit dem Daumen als Zähler, wonach mit der 7 der erste Zählkreis vollendet ist. „Diese Zählweise erklärt, warum die Sieben als erste geschlossene Einheit, das heißt als runde Zahl gilt“, schreibt er in Zauber des Rechts . „Über die Sieben hinaus beginnt das Unfassbare, also das, was wir mit den Fingern nicht begreifen können.“
Dass sie in Religion und Rechtssystem häufig im Zusammenhang von Zeitzyklen und Altersstufen auftaucht, ist ein Merkmal der 7, das tatsächlich gut zu dieser Zählkreis-Herleitung passt. Die sieben fetten und mageren Jahre der Bibel sind nur ein Beispiel, der weit verbreitete Glaube an das verflixte siebte Jahr ein weiteres. Im Rechtsind die Altersstufen in Siebener-Schritten angeordnet: Mit sieben Jahren beginnt die bedingte Geschäftsfähigkeit. Mit dem vollendeten 14. Lebensjahr ist man Jugendlicher und strafmündig nach dem Jugendstrafrecht. Bis 1975 begann die Volljährigkeit mit allen Rechten und Pflichten des Erwachsenen mit 21 Jahren, und in den USA darf man bis heute erst mit 21 Jahren Alkohol kaufen.
Die Theorie der durch Sieben-Jahres-Rhythmen strukturierten Lebensalter ist aber durchaus älter und weiter verbreitet als nur im Rechtssystem. Bei den Rittern des Mittelalters findet Bernhard Großfeld dieses Muster wieder: „Mit sieben Jahren begann der Dienst als Page, mit vierzehn wurde der junge Mann Knappe, mit 21 erhielt er den Ritterschlag.“ Schon der attische Dichter und Staatsmann Solon leitete um 600 vor Christus aus körperlichen Anzeichen wie dem Ausfallen der Milchzähne und dem Einsetzen der Pubertät ab, dass der Mensch sich alle sieben Jahre fundamental wandelt und ein jeweils neuer Lebensabschnitt beginnt. Über Philon von Alexandrien, der um die Zeitenwende herum in Ägypten lebte und jüdische Theologie mit griechischer Philosophie verband, verbreitete sich die Idee später im gesamten Mittelmeerraum.
In China gilt traditionell gleichermaßen der physiologische Siebener-Takt – allerdings nur für Frauen. Für Männer veranschlagt das Huang Di Nei Jing , das Buch des Gelben Kaisers zur Inneren Medizin , eines der ältesten Standardwerke der chinesischen Medizin, einen Zyklus von acht Jahren, was eine Ungleichzeitigkeit der Wendepunkte zwischen den Geschlechtern begründet. Frauen erreichen demnach mit 14 die Blüte der Geschlechtsreife, Männer erst mit 16. Der Höhepunkt der Entwicklung liegt bei der Frau bei 28 Jahren, beim Mann bei 32. Bei Frauen versiegt das Yin und damit die Lebensenergie mit 49, beim Mann ist erst mit 64 Schluss. Obwohl – oder gerade weil? – moderne Lebensstile und medizinischer Fortschritt dieses Schema überlagern, gewinnt der latent sexistische Determinismus, der aus den Weisheiten des mythischen Gelben Kaisers und seines Leibarztes und Ministers Qi Bo spricht, im Westen gerade viele
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