Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
ist, also der erotischen Spielart dieser Religion. In der Alchemie repräsentierte es – man achte auf den erotischen Subtext – das Chaos, das entsteht, wenn Wasser und Feuer sich vereinigen. Vielleicht wurde es deshalb im Mittelalter zum Brauerstern, dem Zunftzeichen der Brauer und Mälzer.
Einen noch wichtigeren Part in Kunst- und Kulturgeschichte hat die 6 in ihrer dreidimensionalen Form als Hexahedron, oder schlichter: als Würfel, der von sechs Flächen begrenzt wird. Die kubistische Grundform ist so etwas wie der elementare Bauklotz der Moderne – das hatten die Kubisten ganz richtig erkannt und auf Leinwand gebannt, indem sie die sie umgebende Welt in kleine Klötzchen fragmentierten. Über das Bauhaus wurde der „White Cube“ zum Synonym für den steril-weißen Galerieraum in Würfelform. In der neu-minimalistischen alpenländischen Architektur lebt der Bauhaus-Kubismus als „Swiss Box“-Stil fort. Auch im Design ist der Würfel nicht totzukriegen. Nachdem Autos über Generationen immer rundgelutschter wurden, brachte Nissan Anfang 2010 den Cube auch bei uns auf die Straße, ein wie aus dem Manga entsprungenes Würfelauto, das in Japan längst zum Kultobjekt geworden ist.
Tatsächlich fällt es aus gestalterischer Perspektive schwer zu begründen, warum man im Einzelfall von der stapelbaren Kubusform abweichen sollte, auch wenn sie in emotionaler Hinsicht vielleicht nicht allzu viel zu bieten hat. Und wie der Würfel, so ist tendenziell auch der Charakter der 6, zumindest dort, wo sie nicht von Erotomanen gekapert wird: handlich wie ein Sixpack. Kubistisch. Praktisch. Gut.
… über 7 wissen wollten
Über die 7 allein kann man ein ganzes Buch schreiben. Reinhard Schlüter hat es getan und beleuchtet in Sieben. Eine magische Zahl knapp 200 Seiten lang voller Enthusiasmus alle Aspekte jener einzigen Zahl, die es an Bedeutung mit der 0, der 1, der 3 und der 10 locker aufnehmen kann: „Keine andere Zahl, kein Symbol kommt ihr an Mystik gleich, keine Religion und keine Hochkultur, in deren Mythologie die Sieben nicht einen bedeutenden Platz hat.“ Von den sieben Tagen der Woche über die sieben Weltwunder der Antike, den siebten Sinn, das tapfere Schneiderlein und seine „Sieben auf einen Streich“, Die Glorreichen Sieben aus dem Western, Rudi Carrells Fernsehshow Die verflixte Sieben bis zum David-Fincher-Thriller Se7en – die Beispiele aus Religion und Märchen, Populärkultur und Alltag sind Legion.
Interessanter ist vielleicht die Frage, wo diese bedeutsame Sonderstellung herrührt. Die letzten beiden Zeilen der Tetraktys, dem Zahlendreieck der Pythagoräer, ergeben 7 und bilden das Komplement der 3 zur 10 – damit wäre das magische Trio beisammen. Als Summe aus der 3 und der 4 löst die 7 zudem deren Opposition zur höheren Synthese auf und wird von beiden Seiten symbolisch aufgeladen. Allerdings lässt sich dieses Argument auch umdrehen. Für Robert Fludd war die 4 genau deshalb bedeutsam, weil sie die Verbindung zwischen der heiligen 3 und der heiligen 7 stiftet. Die Heiligkeit der 7 aber ergibt sich aus der Bibel: Moses muss für Gott einen siebenarmigen Leuchter herstellen, in der Johannes-Offenbarung werden sieben Endzeit-Plagen angekündigt – wie keine andere Zahl durchzieht die 7 Altes und Neues Testament. Nur: Wie ist sie da hineingekommen?
Auch in anderen Kulturkreisen und früheren Epochen spielte die 7 schon eine herausragende Rolle. Buddha verbrachte sieben mal sieben, also 49 Tage unter dem Baum der Weisheit. Laut Reinhard Schlüter gehen Kulturforscher von einem mesopotamischen „Sieben-Urknall“ im vierten vorchristlichen Jahrtausend aus: Die sumerischen Priester bauten siebenstufige Tempel und entfalteten ausgehend von dem als Siebengottheit verehrten Siebengestirn der Plejaden eine reichhaltige Mythologie: im Gilgamesch-Epos und anderen Aufzeichnungen wimmelt es von sieben Dämonen, sieben Helden, sieben Winden, sieben Weisheiten und sieben Stadttoren, um nur einige zu nennen. Über die nachfolgende Kultur der Babylonier verbreiteten sich die Siebener-Mythen in andere Weltgegenden und religiöse Kontexte. Eine Verankerung für die 7 in der Natur lieferten die sieben Wandelsterne, die als „Planeten“ schon in der Antike bekannt waren, also Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn, ebenso Sonne und Mond.
Eine eher lose Verbindung der 7 gibt es ferner zur Dauer der vier Mondphasen eines Monats, woraus sich die Sieben-Tage-Woche ergibt. Schon die Babylonier und
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