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Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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haben?«
    »O ja, so gut, und ich sah alles so deutlich vor mir! O ich habe so oft die Sommerabende so gesehen, das war schön!« Dori sprach mit immer steigender Wärme, die ihr von neuem das Blut in die Wangen trieb.
    »So lesen Sie leicht Italienisch und sprechen es vielleicht auch?« fragte der Doktor mit Interesse.
    »Ja gewiß, gesprochen habe ich es mehr als Deutsch, besonders seit der Vater nicht mehr da war. Ich meine eben daheim, nicht hier; wir sind noch nicht sehr lange hier«, ergänzte Dori.
    Doktor Strahl wünschte zu wissen, wo Dori früher gelebt und wo sie die italienische Sprache erlernt habe.
    Nun begann Dori von ihrem Vater zu erzählen, von ihrem Leben im sonnigen Felsenhaus hoch über dem blauen See, und je länger sie von ihrer schönen Heimat
    und ihren Erinnerungen an ihr dortiges Leben erzählte, je wärmer wurde Dori, immer wärmer, immer lebendiger. Plötzlich bemerkte sie, wie der Doktor lächelte, aber ganz ruhig zuhörte. Sie unterbrach sich sofort: »Ich habe gewiß schon zu viel erzählt, Sie müssen wohl lachen über mich. Aber ich glaube, ich erzähle immer zu lang, wenn ich davon anfange. Sie sollten nur wissen, wie schön es dort unten ist!«
    Der Doktor sagte, er habe sehr gern der Erzählung zugehört, sie sei ihm gar nicht zu lang vorgekommen. Er wünschte nun zu wissen, was denn ihr Vater mit ihr gelesen habe und sich von ihr habe vorlesen lassen, was ja, wie sie sagte, täglich geschehen sei. Dori berichtete, welche deutschen und welche italienischen Werke er mit ihr durchgelesen und ihr erklärt hatte und welche sie nach seinem Tode in seiner Bibliothek gefunden und dann für sich gelesen und zu verstehen gesucht habe. »Aber es ist gar nicht mehr dasselbe«, schloß Dori, »jeden Tag empfinde ich mehr, was ich an meinem Vater verloren habe. Er konnte mir alles erklären, er wußte so viel, und nun stoße ich beim Lesen auf so vieles, das verstehe ich nicht, und ich sehe wohl, ich sollte so vieles wissen, von dem ich gar nichts weiß, um die schönen Bücher des Vaters zu verstehen. Er hatte immer gesagt, wenn ich älter sei, wollte er sie mit mir lesen. Aber es ist alles anders geworden, seit er nicht mehr da ist, und seit ich Sie sprechen höre, merke ich auch erst recht, wie schlecht ich nun Deutsch spreche. Es spricht auch kein Mensch um mich her, wie mein Vater sprach, nur Sie sprechen so.«
    Doktor Strahl nahm das Buch wieder zur Hand; er hielt es Dori hin: »Würden Sie mir nicht einmal das Gedicht, das Sie sich angesehen haben, vorlesen?« fragte er.
    »O ja, sehr gern, es ist so schön!« sagte Dori, indem sie das Buch ergriff und mit großer Lebendigkeit die Verse vortrug. Als sie zu Ende war, wollte sie das Buch niederlegen, aber der Doktor sagte: »Nun hab' ich noch eine Bitte: Wollten Sie nicht den Anfang, die vier erstenZeilen noch einmal lesen und sie mir gleich übersetzen, in einer Weise, daß man den Eindruck davon so ähnlich wie möglich erhielte? Am genauen Worte hänge ich nicht.«
    »Meinen Sie in Poesie?«
    »Jawohl, wenn das geht«, gab er lächelnd zurück.
    Dori las wieder vor:
    La donzeletta vien dalla campagna,
Giu sul calar del sole,
Col suo fascio dell' erba, e reca in mano
Un mazzolin di rose e di viole.
    Dori schaute vor sich hin, als sähe sie's lebendig vor sich, was sie gelesen hatte. Es mußte ihr gefallen, ihre Augen lachten in Freude und Eifer. Jetzt sagte sie laut, was sie erst leise bei sich in Worte gebracht hatte:
    »Vom Feld kommt das Mädchen, der Tag ist aus,
Die Sonne will sich neigen.
Im Arme trägt sie ihr Gras nach Haus,
In der Hand einen duftenden Blumenstrauß
Von Veilchen und Rosenzweigen.«
    »Nein, ich übersetze nicht mehr. Sie lachen mich gewiß aus«, sagte Dori jetzt schnell, als sie bemerkte, welch heiteres Lächeln auf ihres Zuhörers sonst so ernstem Gesichte lag.
    »Nein, nein, wie sollte ich das tun«, wehrte er entschieden, »ich freute mich nur darüber, wie gut und rasch Sie Ihre Aufgabe gelöst haben. Eigentlich wollte ich nur wissen, ob Sie auch recht verstehen, was Sie da lesen wollten, ich zweifle aber gar nicht mehr daran.«
    »Ach so«, sagte Dori lachend, »Sie haben nur sehen wollen, ob ich Ihnen nicht nur etwas vormachen wollte, Sie dachten wohl, ich wisse ganz und gar nichts. Ich glaub' es wohl, ich weih ja wenig genug.«
    »Gar so schlimm wird es ja nicht sein«, sagte der Doktor nun sehr freundlich, »auch habe ich Ihnen durchaus nicht zugetraut, daß Sie mir nur etwas vormachenwollten, an dem

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