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Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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wilde Rosen; wenn diese offen seien, so wollte sie am liebsten kommen, die wollte sie so gerne sehen und die Mutter gewiß auch, das wisse sie. Nun stimmten alle drei überein, zur Zeit der wilden Rosen sollte die Fahrt nach Ardez hinauf stattfinden.

Neuntes Kapitel
    Doktor Strahl war angekommen und hatte seine Zimmer bezogen. Er war ein so stiller, ruhiger Hausbewohner, daß seine Anwesenheit kaum bemerkbar geworden wäre, hätten nicht die kleinen Geschäfte, die für ihn getan werden mußten, jeden Morgen daran erinnert, daß ein Fremder im Hause war. Er machte regelmäßig seine Gänge, wie die Base Marie Lene vorher gesagt hatte; daneben brachte er manche Stunde auf seinem Zimmer zu, wo er wohl recht in seine Arbeiten vertieft sein mußte, wie Dorothea dachte, da sie ihn kaum einmal umhergehen hörte. Traf sie oder Dori einmal mit ihm beim Aus- oder Eingehen zusammen, so grüßte er mit großer Höflichkeit und ging weiter. Jeden Morgen fuhr er nach dem Bad hinauf, und Dorothea hatte Zeit genug, seine Zimmer zu besorgen, was sie mit großer Sorgfalt tat, um sie so wohnlich und angenehm wie möglich zu machen, da sie ja wußte, daß ihr Zimmerbewohner einen guten Teil des Tages dann verbrachte. Damit war für den ganzen Tag alles besorgt, was er bedurfte.
    Die ersten Wochen des Juni waren so regnerisch und unfreundlich, daß keine längeren Gänge im Freien unternommen werden konnten, wenn man nicht immer wieder durchnäßt und erkältet zurückkommen wollte. Das mußte Doktor Strahl besonders gern vermeiden, denn er saß an den schlechten Tagen nach dem Morgenausgang fast unbeweglich in seinen Räumen. Endlich teilten sich die Wolken. Gegen Abend warf die Sonne da und dort einen leuchtenden Blick ins Tal hinein, und auf einmal wölbte sich weit über den Pisoc hin ein funkelnder Regenbogen.
    »Sieh Mutter! sieh Mutter!« rief Dori, die am Fenster saß, mit Entzücken aus. »O das muß ich recht sehen!« Sie rannte zum Haus hinaus. Als der Bogen erloschen und die Sonne hinter den Bergen verschwunden war,kehrte Dori zurück, einen großen Strauß blühender Zweige der Weißdornhecke mitbringend, an dem noch die frischen Tropfen hingen. »O sieh, wie schön! O nun wird einmal wieder die Sonne kommen!« rief sie der Mutter entgegen. »Aber der Herr Doktor droben dauert mich so sehr! Eben hab' ich ihn getroffen mit dem ganz gleich ernsthaften Gesicht wie immer, gewiß hat er gar nicht gesehen, daß die Sonne wieder kam, und daß es nun so schön werden muß. Er hat gewiß so furchtbar viel auszudenken und in seinem Kopf zu verarbeiten, daß er nicht merkt, wie die Wolken aufgestiegen sind und sich daran freuen kann. Wenn man ihm doch zeigen könnte, wie's nun schön wird! Soll ich ihm nicht von den Zweigen in sein Zimmer hinaufstellen? Die sieht er gewiß gern nach dem langen Regenwetter.«
    »Das kannst du ja tun«, sagte Dorothea, »aber stelle sie auf die Seite, aufs Gesims, nicht zu seinen Papieren und Büchern, die auf dem Tisch liegen, es darf nichts davon naß werden.«
    Dori ging und stellte sorgsam das hohe Glas mit den Blütenzweigen auf das Gesims. Sie warf einen Blick auf den Tisch hin, der über und über mit Büchern und Schriften belegt war. An dem Platze, wo der Sessel noch stand, den der Doktor wohl eben verlassen hatte, lag ein großes Buch aufgeschlagen, es waren so kurze Linien auf den Blättern zu sehen, das war gewiß ein Lied. Lieder hatten eine unwiderstehliche Anziehungskraft für Dori. Sie konnte nicht widerstehen, schnell zu lesen, was da stand. Sie fing an. – Es war nicht deutsch, was sie las, aber sie verstand ja alles so wohl. O wie schön war es! Nicht wie ein Lied, aber so schön! Sie las weiter, immer eifriger. Jetzt ging die Tür auf, – Dori fuhr zusammen – der Doktor stand vor ihr. Dori wurde dunkelrot bis in die Haare hinauf. »O verzeihen Sie mir's doch, Herr Doktor«, brachte sie endlich in ihrem Schrecken heraus. »Ich wollte nur die Zweige in ihr Zimmer stellen und sah hier das Blatt, es sah so aus wie ein Lied, ich dachte,ich dürfte es vielleicht lesen, aber ich hatte doch keine Erlaubnis dazu.«
    »Das ist ja kein Verbrechen, das ich zu verzeihen hätte, beruhigen Sie sich nur«, sagte lächelnd der Doktor, indem er einen Blick auf das Buch warf, um sich zu versichern, daß es wirklich dasjenige war, in dem er eben selbst gelesen und das er offen hatte liegen lassen. »Aber sagen Sie mir«, fuhr er fort, »haben Sie denn auch verstanden, was Sie da gelesen

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