Was soll denn aus ihr werden?
indem er Dorotheas Hand schüttelte und einen letzten Blick auf Dori warf.
Schon stand er unter der Tür, aber so leicht, wie er meinte, kam er nicht hinaus. Auch von ihm wollte Dori das Versprechen haben, daß er über den Berg komme und sehe, wo sie wohne mit ihrem kleinen Schützling, den er ihr zugeführt hatte. Und vor allem sollte Melchior die Rosen in ihrem Garten sehen, schönere Blumen trüge die Erde nicht; die ihnen an Schönheit am nächsten kämen, wären die vollen Nelken im Engadin, fügte Dori bei.
»Es ist gut, daß du meine Nelken noch anerkennst, sonst wären wir geschiedene Leute«, sagte Melchior lächelnd. »Deine Rosen dort unten möchte ich schon noch einmal sehen im Leben; die vergißt keiner mehr, der sie einmal gesehen hat.«
Neunzehntes Kapitel
Ein lichter Abendsonnenschein lag auf den Höhen, die sich in der klaren Flut des Lago Maggiore spiegelten und weithin glitzerte es wie Feuerfunken über die Wellen. Auf dem vordersten Platze des Schiffes, das über den See glitt, stand Dori und folgte, über die Lehne gebeugt,mit suchenden Augen dem Höhenzug drüben: »Da ist er! da ist er!« schrie sie plötzlich auf vor Freude. »O sieh, Mutter, wie grün-goldener Sammet fällt es ihm von den Schultern, so schön wie der, ist kein anderer mehr auf Erden.«
Dorothea kam herbei und schaute um sich. »Wen meinst du denn, Dori?« fragte sie verwundert.
»Nicht hier auf dem Schiffe, dort, Mutter, dort.«
Dori zeigte nach dem hohen Monte ferro hinüber, dessen grüne Hänge, vom Abendgold überflossen, noch durch die Wellen schimmerten. Auch der Mutter Augen leuchteten auf in Freude.
»O, da kommen sie alle«, jauchzte Dori auf, »hier der Motterone, dort der alte Monte rosso und alle weißen Dörfchen auf den Höhen, und hier die Inseln im funkelnden Golde schimmernd! O, Mutter, da sind wir wieder!«
Dori schaute in hellem Entzücken der leuchtenden Heimat entgegen, während ihr die großen Tränen die Wangen herunterrollten. Auch Dorothea wurde von tiefer Bewegung ergriffen, als eine um die andere der alten Stellen voll Erinnerungen an die sonnig-schönen und an die Schmerzenstage vergangener Jahre vor ihren Augen aufstieg. Das Schiff fuhr dem grünen Ufer des kleinen Fleckens Suna zu, der sich an den schützenden Rücken des waldigen Monte rosfo lehnt. Dori schaute mit funkelndenAugen rundum. Dort war der alte Turm, dort die Kapelle, höher hinauf, versteckt hinter den Bäumen, die ersten Häuser von Cavandone.
Dori sprang aus dem Schiff: »Die alte Maja ist nicht da, Mutter«, rief sie verwundert aus, »die hatte ich sicher erwartet; ich hatte ihr ja bestimmt geschrieben, wann wir kommen können. Aber wir warten keinen Augenblick hier, wir müssen hinauf, Mutter, nicht? Hier kann alles liegen bleiben, Giacomo wird die Habe heraufholen, wenn er von der Arbeit kommt.«
Schon hatte Dori den kleinen Wagen, in dem der lahme Willi lag und eingeschlafen war, zur Hand genommen und stieg, von der Mutter gefolgt, die Höhe hinan, dem Felsenweg zu. Dori zog rasch aus. Schon lag der schmale Steg über den Waldbach hinter ihr. Sie betrat den Felsenweg, es ging gegen den Turm hinauf.
Jetzt stand Dori still und schaute zurück: »Mutter!« rief sie aufgeregt der Nachkommenden zu, »je näher wir kommen, je größer wird meine Angst, wir finden unser Haus genommen und können nicht mehr hinein. Giacomo hat so lang kein Wort mehr geschrieben, vielleicht ist ein Grund davon, daß er uns nicht sagen wollte, was ihm leid tat und uns leid tun mußte. Ich könnte es fast nicht aushalten, wenn es so wäre, Mutter, wenn wir nicht mehr in die alte Heimat einziehen könnten!«
»Es ist ja gerade, was auch mich mit jedem Schritt mehr ängstigt«, entgegnete Dorothea. »Ich wollte es nur nicht aussprechen, weil ich die Angst nicht auch in dir wecken wollte.«
Dori stellte ihren Wagen fest und setzte sich an den Rand des Weges hin. »Ich habe noch nicht recht mit Ernst daran gedacht«, sagte sie, ihre Hände auf die Knie legend. »Aber wenn ich denken müßte, Mutter, daß wir wirklich nicht mehr in unser Heimathaus einziehen könnten, ich glaube, ich könnte fast nicht mehr weiter kommen. Tun konnte man ja nichts, sobald ich wußte, daß wir reisen, schrieb ich, aber der Brief kann erst gestern angekommensein. Ist jemand im Haus, so konnten sie nichts machen, Giacomo und die Großmutter hätten alles getan, unser Haus für uns zu öffnen, das weiß ich. Ach, wenn's nur nicht sein muß, daß wir die Heimat
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