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Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Sträuchern, die sich am rosigen Turm emporrankten, trug der leise Abendwind einen würzigen Duft auf den Fußpfad herüber. Dori lief dem Turm zu, in den Acker hinein, wo die Maisstauden grünten und die Weinreben sich um die Bäume schlangen. »Dies ist dein Acker, Maja, komm herein!« rief Dori hinüber; »komm sieh, wie's leuchtet darin!«
    »Mein Acker, du lieber Gott, mein Acker!« wiederholte die Alte, »mein war er nie und pachten kann ich ihn auch nicht mehr. Ja, könnt' ich mit den goldigen Rebenblättern dort bezahlen, so hätte ich mein Äckerchen wieder!« Sie ging weiter. Das Kind, selbst von lichtem Gold umflossen, blieb staunend und sinnend unter den hängenden Weinranken stehn, dem leise verglimmenden Abendhimmel zugekehrt. Die Alte war schon oben bei der Kapelle angelangt, als Dori ihr nachgerannt kam und nun ohne Halt dem Felsenhause bei Cavandone zueilte.
    Dorothea, die lange schon nach den Ankommenden ausgeschaut hatte, kam ihnen entgegengelaufen. »So hast du wirklich ein solches Bild gefunden!« rief sie freudig aus, als Dori ihr die Rolle hinhielt.
    »Ja, aber es freut vielleicht den Vater nicht so besonders, es ist nicht so schön, wie es bei uns ist«, meinte das Kind.
    Die Mutter war ins Haus eingetreten und hatte das Blatt aufgerollt. »O das wird ihm Freude machen; gewiß, davon hat er mir erzählt«, rief sie hocherfreut aus. »Es ist nicht wie sein Bild war, aber das muß er kennen! Das wird er sicher kennen.«
    Maja gab nun ihren Bericht ab, daß der Doktor erst morgen kommen könne und überreichte Dorothea die mitgebrachte Arzneiflasche. »So helf Gott, ihm und allen armen Leidenden!« wünschte die Alte und ging.
    Dorothea holte ein Schüsselchen herein, legte ein kleines, rundes Brötchen daneben und sagte: »Du mußtdein Abendessen allein einnehmen, Dori, ich muß zum Vater hinüber. Nachher mußt du ganz still zu Bette gehen.«
    »Aber ich muß doch dem Vater gute Nacht sagen«, wandte Dori ein.
    »Ja, leise herantreten kannst du wohl und ihm einen Kuß geben, aber du mußt nicht sprechen«, warnte die Mutter, »jeder Ton schreckt ihn auf, er schlummert so leise.«
    Sobald die Mutter sich entfernt hatte, ergriff Dori das Schüsselchen und trug es durch die offene Tür auf die Terrasse hinaus. Dort stand ein kleiner Tisch, von Weidenstäben geflochten, der war so leicht, daß Dori ihn ohne Mühe an die Brüstung heranschob, das Weidenstühlchen davor hin, und hier, wo der Abendwind lieblich durch das Weinlaub säuselte, und von drüben der lichte Abendstern hereinschaute, war es prächtig, den Milchbrei mit dem weißen Brötchen zu genießen. So saß Dori und ließ sich's wohl sein, hörte den flüsternden Blättern zu, schaute nach dem immer heller flimmernden Abendstern hinüber, der nun auf die dunkeln Linien des Motterone einen leisen Schimmer warf, und vergaß alles andere, bis eine ängstliche Stimme drinnen in der völlig dunkeln Stube ertönte: »Dori! Dori, wo bist du denn?«
    Das Kind rannte hinein: »Nur auf der Terrasse, Mutter«, sagte es beruhigend, »kann ich jetzt zum Vater kommen?«
    »Komm, es ist spät, ich dachte, du liegest lang schon in deinem Bett, dort sah ich nach dir und fand dich nicht. Dein Vater ist erwacht und wußte, daß du ihm nicht gute Nacht gesagt hattest. Das tat ihm leid.« Damit führte die Mutter Dori an das Lager des Kranken. Das Kind umschlang mit beiden Armen den Vater, schmiegte sich an ihn und liebkoste ihn.
    »Dori, mein Kind«, sagte er zärtlich, »du hast so oft mir die Freude ins Herz gesungen, willst du es noch einmal tun?«
    Hocherfreut wollte Dori gleich ihr Lied von der Freude und den Rosen anstimmen, denn sie dachte, das sei, wasder Vater hören möchte. Aber die Mutter wehrte schnell ab, sie hatte das steigende Fieber des Kranken wohl bemerkt. Sie sagte, Dori sollte dem Vater morgen singen und nun zur Ruhe gehn, damit er auch zur Ruhe komme. Aber der Vater hielt noch eine Weile die Hand des Kindes fest, bevor er es von sich ließ. Dann sagte er: »So geh, aber komm am Morgen bald wieder, mein Sonnenschein.«
    Als Dori das Zimmer verlassen hatte, fuhr er fort: »Wir wollen das Kind hüten, Dorothea, daß es von keiner unreinen Luft angeweht werde. Und wenn nun die Knospe aufgeht, da wollen wir alles tun dafür, daß nur der Himmel und Gottes Sonne hineinschauen und der Erdenstaub nicht eindringe und sie zerstöre. Alles Schöne und Gute und Große soll das Kind kennen lernen, ich will es in allem unterrichten, das ich kenne,

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