Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
Vom Netzwerk:
schreckliche Ahnung, die sie bis jetzt immer noch hatte von sich weisen können, war ihr zur Gewißheit geworden. Sie sollte ihren Mann, ihr Kind seinen Vater verlieren. Als der lichte Abendschein durchs offene Fenster in die stille Stube herein glänzte, kniete regungslos die Frau über das Lager gebeugt, den Kopf hatte sie in stummem Schmerz auf die gefalteten Hände des stillen Mannes gelegt. Das Kind kniete neben ihr am Bette und weinte leise fort und fort, denn es verstand, daß der Vater seine guten Augen für immer geschlossen hatte.
    Eine Woche war dahingegangen, seit im sonnenbeschienenen Felsenhäuschen die große Trauer eingekehrt war. Dorothea saß auf der Terrasse und nähte stumm an ihrem schwarzen Tuch. Von Zeit zu Zeit wischte sie eine Träne weg. Dori saß neben ihr und strickte emsig.
    So waren alle die Tage dahingegangen, seit man den Vater fortgeholt hatte. Wenn das Kind mit der Mutter hatte sprechen wollen, so waren dieser die Tränen so reichlich gekommen, daß es wieder schwieg. An diesem Nachmittag, so neben ihr sitzend, hatte es immer wieder zu ihr aufgeblickt. Voller Sorge fragte es jetzt: »Mutter, kannst du nun gar nie mehr zu weinen aufhören?« »Ach, Kind«, entgegnete sie verzagt, »du weißt nicht, was wir verloren haben, wir sind ganz verlassen.« »Aber Mutter, wir sind nicht allein so arme Verlassene, es gibt so viele, die ganze Welt ist voll, die alte Maja hat mir's gesagt.« »Ach ja, es ist ja um so trauriger«, seufzte die Mutter. »Könnten denn nicht die Verlassenen einander helfen, Mutter, daß dann keiner mehr so ganz verlassen wäre?« fragte nach einer Weile das Kind wieder. »Du sagst etwas Rechtes, Dori, ich weiß nicht, wie dir das so in den Sinn kommt«, antwortete die Mutter. »Aber siehst du, alles Denken an andere und aller Mut zum Weiterleben ist mir entfallen, ich weiß nicht, was weiter getan und wie weiter gelebt werden soll.« »Ich muß gewiß nun nach Pallanza hinuntergehen und dem Fräulein dasBild zurückbringen und danken«, sagte Dori schnell, froh, daß die Mutter endlich wieder zuhörte und Antwort gab. »Denke, wie sich der Vater noch an dem Bild gefreut hat. Das muß ich doch dem Fräulein und dem guten Herrn berichten. Und Rosen habe ich auch zu bringen versprochen. Und zur alten Maja sollte ich auch gehen, sie ist vielleicht krank, daß sie nie kommt, und ich bin nun so lang nicht bei ihr gewesen!«
    Die Mutter war damit einverstanden, daß Dori der freundlichen Dame ihr Blatt zurückbringe, und auch, daß das Kind nach der alten Maja sehe, es kam ihr nun auch befremdend vor, daß die Alte sich in all den Tagen nicht hatte sehen lassen. Nur daß Dori nicht zu lange von ihr fortbleibe, bat sie wiederholt. Dori holte ihr Körbchen hervor und ging hinaus, es mit Rosen zu füllen. Noch hingen ja an den Sträuchern und Hecken im Garten der duftenden Blumen eine Menge. Dann wurde das Bild zusammengerollt, und Dori zog aus.
    Die entschlossene Weise des Kindes hatte bewirkt, daß die Mutter endlich auch sich aufraffen und ausführen konnte, was vor allem sein mußte, wozu ihr aber immer noch die Tatkraft gefehlt hatte. Sie setzte sich hin und schrieb an ihre Verwandten über den Bergen die Kunde von dem schweren Schlag, der sie getroffen hatte.
    Es war das erstemal, daß Dori das Haus verließ, seit das große Leid über sie gekommen war. Sie lief ohne Aufenthalt dem Tale zu. Nicht wie sonst stand sie an jeder schönen Stelle still und schaute sich um; all das Schöne hatte sie so oft mit dem Vater angeschaut, nun war er nicht mehr da. Bei der Kapelle warf sie schnell einen Blick nach den bemoosten Steinen hinüber, dort hatte sie zuletzt mit ihm gesessen, sie lief weiter. Am alten Turm stand sie einen Augenblick still, der Vater hatte ihn so geliebt. »Dort ist unser lieber alter Turm«, hatte er immer so erfreut ausgerufen, wenn er ihn von irgendwoher wieder erblickte. »Du warst dem Vater so lieb«, sagte Dori zu dem alten Turme; dann lief sie weiter.Unten bei dem großen Hotel angelangt, fragte sie gleich den Angestellten, der ihr die Tür aufmachte, nach Herrn von Aschen und dem kranken Fräulein.
    »Die junge Dame ist gestorben und der Herr hat sie fortgeführt«, war die kurze Antwort.
    Dori stand vor Überraschung und Schrecken wie versteinert da. Der Angestellte wollte die Tür zumachen. »Kommt der Herr wieder zurück?« fragte das bestürzte Kind schnell, völlig tonlos.
    »Nein, übers Jahr vielleicht«, gab der Bediente zurück und schlug die

Weitere Kostenlose Bücher