Was Top-Unternehmen anders machen
lange Zeit eine Position des Wartens eingenommen. Sie wollten warten, bis das Dampfschiff âgut genugâ war, um auf die neue Technologie umzusteigen. Zu diesem Zeitpunkt war es dann aber zu spät. Der Markt war durch Neueinsteiger schon lange besetzt.
Die Segelschiffhersteller ignorierten die neue Technologie und konzentrierten sich auf die Weiterentwicklung des Segelschiffs â und damit auf den weit gröÃeren und attraktiveren Markt. Schritt für Schritt verbesserte sich aber die Leistungsfähigkeit der neuen Technologie. Bald waren Dampfschiffe genauso zuverlässig und genauso schnell wie Segelschiffe und damit nicht mehr aufzuhalten.
Die Thomas W. Lawson steht für evolutionäre Innovation, die â entweder auf inkrementelle oder radikale Art â darauf abzielt, Bestehendes zu verbessern. Märkte, Kunden und Leistungsparameter sind bekannt. Das Dampfschiff indes steht für die Disruption. Zunächst hinsichtlich der zentralen Leistungsparameter unterlegen, erweist sich eine disruptive Technologie in anderen Märkten, in denen andere Leistungsparameter zählen, als interessant. Dort kommt die Technologie dann auch zum Einsatz, wird weiterentwickelt, bis sie schlieÃlich ein Leistungsniveau erreicht, mit dem sie die etablierte Technologie angreifen und abzulösen vermag.
Abbildung 5.4 stellt die Entwicklung evolutionärer und disruptiver Innovationen dar. Disruptive Technologien haben klare Nachteile hinsichtlich der dominierenden Qualitätsanforderungen im etablierten Markt. Sie haben aber andere Vorteile, die zunächst nur in einer kleinen, für die etablierten Unternehmen uninteressanten â weil zu kleinen â Nische relevant sind. Disruptive Technologien werden daher in der Regel von neu eintretenden Unternehmen eingeführt, die diese dann Schritt für Schritt verbessern. Sobald sie eine Leistungsfähigkeit entwickelt haben, die die Mindestanforderungen im Markt erfüllen oder gar die etablierte Technologie erreichen, beginnen sie diese rasch zu substituieren. Nun zählen die Vorteile der neuen Technologie. Die Digitalkamera ersetzte die Filmkamera, sobald sie hinsichtlich Bildqualität vier Megapixel erreicht hatte â das war nötig, um eine hohe Qualität auf DIN-A4-Format zu erreichen. Nun waren die Vorzüge der Digitaltechnik entscheidend: Beliebig viele Fotos kostenlos zu machen, das Foto gleich sehen zu können, es zu bearbeiten, zu speichern, per E-Mail zu versenden oder auf Facebook hochzuladen.
Abbildung 5.4: Disruptive versus evolutionäre Technologien 134
Dieses Muster ist erstaunlich konsistent. Wir konnten es in zahlreichen Branchen in der gesamten Industriegeschichte des 20. Jahrhunderts bis heute wiederfinden: beim Ãbergang vom Seilbagger zum Hydraulikbagger, beim Aufstieg der Elektrostahlwerke, beim Aufstieg des Diskonthandles, in der Branche der Computerfestplattenlaufwerke, in der Musikindustrie, bei den Low-Cost-Airlines, bei den Digitalkameras und vielen mehr. In all diesen Branchen entstanden neue Technologien und Produkte, die zunächst den etablierten unterlegen waren: Elektrostahl hatte eine schlechtere Oberflächenqualität als jener der integrierten Stahlwerke, der Diskonthandel bietet weniger Service, MP3 war den CDs in der Tonqualität lange Zeit weit unterlegen, die Bildqualität der Digitalkameras war zu Beginn erbärmlich und ein Service von Low-Cost-Airlines ist praktisch nicht vorhanden. Es existierten zu Beginn nur kleine Nischen, in denen diese Innovationen Erfolg hatten â für die etablierten Branchenführer uninteressant. Daher wurden sie lange Zeit ignoriert. Zu lange â in den meisten Fällen. Als mp3 eine ausreichende Tonqualität hatte, war die CD, auf die die groÃen Musiklabels gesetzt hatten, nicht mehr konkurrenzfähig. Die Filmkamera war unverkäuflich, sobald die Digitaltechnologie ausreichend Megapixel hervorbrachte. Es gibt Zeiten, in denen es besser ist, gerade nicht auf Kunden zu hören, in denen es besser ist, auf Produkte von niedrigerer Qualität mit niedrigeren Margen zu setzen, und in denen es besser ist, aggressiv in kleine anstatt in groÃe Märkte zu stoÃen.
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Integrierte Stahlwerke
Elektrostahlwerke â âMinimillsâ
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