Was Top-Unternehmen anders machen
geringerem Kraftaufwand schwingen. Der Carving-Ski erfüllte bestens die Basisanforderungen Drehfreudigkeit und Kantengriff. Zudem hatte er hervorragende Tiefschneeeigenschaften â etwas, was Skifahrer nicht erwarteten, was sie aber begeisterte.
Wir hatten â leider â nicht ursächlich zu der Entwicklung des Carving-Skis beigetragen. Dieser war bereits von Reinhardt Fischer Anfang der 1980er-Jahre entwickelt worden. Fischer, ein AuÃenseiter in der Szene, erzählte 1997 in einem Zeit-Interview: âVor fünfzehn Jahren habe ich mir bei allen Skiproduzenten Ãsterreichs eine Abfuhr geholt, als ich ihnen vorschlug, stärker taillierte Ski zu bauen.â 202
Tatsache aber war, dass wir mit dem Kano-Modell und unseren Studien zwei bis drei Jahre vor dem Carving-Boom dessen Erfolg voraussagen konnten. Wir wussten, dass die Drehfreudigkeit und der Kantengriff Basiseigenschaften waren, die noch nicht erfüllt waren. Ein Produkt, das dies leisten konnte, musste Erfolg haben. Dem Carving-Ski gelang das.
Betrachten wir nun das Kano-Modell etwas genauer.
Noriaki Kano unterscheidet in seinem Modell drei Arten von Produkteigenschaften (siehe Abbildung 8.1): 203
Basisfaktoren: Diese umfassen jene Produktattribute, die Unzufriedenheit auslösen, wenn sie nicht den Erwartungen entsprechend angeboten werden. Wenn die Erwartungen übertroffen werden, führt dies nicht zu Zufriedenheit, sondern lediglich zu âNichtunzufriedenheitâ. Die Basisfaktoren sind also Mindestanforderungen und stellen damit die Kernleistungen eines Produkts oder einer Dienstleistung dar. Die Erfüllung von Mindestanforderungen ist für die Entstehung von Kundenzufriedenheit zwar notwendig, reicht aber hierfür nicht aus. Basisanforderungen werden vom Kunden nicht explizit verlangt, nicht artikuliert und vorausgesetzt, sind relativ unwichtig, wenn sie erfüllt werden, treten aber in den Vordergrund, wenn sie nicht erfüllt werden. Die Funktionstüchtigkeit der Bremsen beim Auto, die Richtigkeit der Diagnose des Arztes, die Pünktlichkeit der Züge, die Zuverlässigkeit der Bankabrechnungen sind dafür Beispiele.
Leistungsfaktoren: Dies sind jene Produkteigenschaften, die sowohl zu Zufriedenheit führen, wenn die Erwartungen des Kunden übertroffen werden, als auch zu Unzufriedenheit, wenn die Erwartungen des Kunden nicht erfüllt werden. Sie bilden damit ein Kontinuum ohne Schwellenwerte. Leistungsanforderungen werden vom Kunden ausdrücklich verlangt. Anhand dieser Produkteigenschaften werden Konkurrenzvergleiche angestellt. Der Benzinverbrauch eines Autos, die Akkulaufzeit eines Notebooks oder die Bildauflösung einer Digitalkamera können als Beispiele dafür genannt werden.
Begeisterungsfaktoren: Werden sie angeboten, so lösen sie Zufriedenheit aus, sie verursachen aber nicht notwendigerweise Unzufriedenheit, wenn sie nicht vorhanden sind. Begeisterungsattribute werden vom Kunden nicht ausdrücklich erwartet und erhöhen den wahrgenommenen Nutzen einer Kernleistung. Sie können jedoch nicht gegen fehlende Basisfaktoren aufgerechnet werden. Begeisterungsattribute stellen einen Ansatzpunkt für die Differenzierung im Wettbewerb dar. Begeisterungsanforderungen werden ebenso wie Basisanforderungen nicht ausdrücklich verlangt und artikuliert. Es sind oft latente Wünsche, derer sich der Kunde gar nicht bewusst ist. Das âInflight-Internet-Serviceâ einer Fluglinie, Overhead-Displays im Auto oder â wie im Falle der Skier â die Tiefschneeeigenschaften sind Beispiele dafür.
Abbildung 8.1: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit 204
Wir testeten das Modell in zahlreichen Projekten, für Produkte 205 , Dienstleistungen 206 , Business-to-Business-Geschäftsbeziehungen 207 , übertrugen das Modell auf Preiszufriedenheit 208 und Mitarbeiterzufriedenheit 209 und überprüften es mit unterschiedlichen Methoden 210 . Die Ergebnisse waren stabil und reproduzierbar. Das Kano-Modell ist somit ein brauchbarer Ansatz, um den Nutzenbeitrag einzelner Produktanforderungen zu bestimmen. Es ist auch brauchbar, um Innovationen einzuordnen und deren Marktfähigkeit daraus abzuleiten.
Aus dem Kano-Modell können wir mehrere wichtige Konsequenzen für die Produktinnovation ableiten:
Wir können Innovationen in Basisinnovationen, Differenzierungsinnovationen und inkrementale Innovationen unterteilen und abschätzen, welche Wirkungen sie am Markt
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