Was uns glücklich macht - Roman
durch und sortieren Dinge aus, die wir dann der Kirche geben. Sie müssen nämlich begreifen, wie gut es ihnen geht, dass nicht alle Kinder an Weihnachten Spielsachen bekommen, geschweige denn, zu viele Spielsachen. Was nicht in die Kirche wandert, hebe ich auf.
Ich habe noch alle Puzzles, die wir auf dem Boden zusammengesetzt haben. Die Stofftiere, ohne die Megan niemals schlafen gegangen wäre. Und natürlich habe ich immer noch all die Bücher, die ich ihnen im Bett vorgelesen habe (Gute Nacht, Mond, Die kleine Raupe Nimmersatt, Das Gutenachtbuch). Die würde ich genauso wenig wegwerfen wie alte Fotos. Es sind nicht einfach Spielsachen, es sind Momentaufnahmen meines Lebens, die so nie wiederkehren werden und die ich nie vergessen will: von meinen Babys, als sie noch ganz klein waren, mich für alles brauchten und nichts anderes wollten, als endlos Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen.
Bevor ich also eine lange, heiße Dusche nahm, um so weit nüchtern zu werden, damit ich die Kinder abholen und zu Lourdes und ihrem Zeh ins Krankenhaus bringen konnte, hielt ich inne und betrachtete einige der Bücher und Spielsachen. Und wie immer musste ich dabei ein bisschen weinen. Als die Dusche mich dann wieder zu neuem Leben erweckte, fing ich an zu lachen. Und dann war ich nicht mehr traurig über das abrupte Ende der Fotosession. Manche Dinge sind einfach wichtiger als andere.
Samantha
Was um alles in der Welt ist bloß los mit mir?
Das dachte ich, nachdem ich Eduardo erlaubt hatte, mir ein drittes Glas Wein einzugießen.
Da trainierte ich nonstop, führte meinem Körper nur das beste Brennmaterial zu, die naturreine, köstliche, gesunde Nahrung dieses tropischen Paradieses: frisches Obst, Gemüse, mageres Fleisch, literweise Wasser, Tassen mit dampfendem, biologisch angebautem grünen Tee. Und jetzt schmeckte dieser Wein so gut, es fühlte sich so wundervoll an, wie er mir die Kehle hinunterrann, so warm und schmeichelnd. Und er passte perfekt zur Brise und dem salzigen Geruch des Meeres, und zu dem Mann, der genug gewusst hatte, um ihn auszusuchen, und ihn mir nun so anmutig eingoss. Eduardos geschickte Finger hatten etwas Sportliches an sich, und die Sorgfalt, mit der er sich auch der kleinsten Aufgabe widmete, war sehr sinnlich. Er erinnerte mich an eine Katze, während Robert – und jeder andere Mann, mit dem ich zusammen war – viel eher an einen Hund denken ließ, hechelnd, eifrig, treudoof, ungeschickt. Bisher waren mir Hunde immer lieber als Katzen gewesen, doch jetzt, als ich den Wein auf der Zunge schmeckte und die Brise in meinem Haar spürte, war ich auf einmal fasziniert von der Katze.
»Ich habe den Eindruck, dass sich die Frauen in diesem Land furchtbar unter Druck setzen«, sagte Eduardo gerade. Er saß kerzengerade da, seine Krawatte war makellos gebunden. »Das ist betrüblich. Dieses Land gewährt den Frauen Freiheiten, die sie nirgends sonst auf der Welt bekommen, zumindest nicht in den Ländern, die ich bereist habe, doch statt sich über diese Freiheiten zu freuen, kommt es mir manchmal so vor, als schnürten sie sich damit die Luft ab.«
»Auf welche Weise?«, fragte ich interessiert.
»Auf viele Weisen«, erwiderte Eduardo. »Ich kann es hier tagtäglich sehen. Schöne Frauen in den Flitterwochen, auf Reisen, im Familienurlaub. Immer scheinen die Frauen es weniger zu genießen als die Männer. Die Frauen sind so besorgt um ihr Erscheinungsbild, so besorgt um ihr Image, konkurrieren so sehr mit den anderen Frauen, dass ich manchmal befürchte, sie haben überhaupt keinen Spaß.«
»Da täuschen Sie sich«, sagte ich. »Ich bin schon seit einem Monat hier, habe nichts getan, außer zu trainieren, und ich genieße es ohne Ende.«
Er zwinkerte verschmitzt. »Ja, aber mir scheint, dass Ihre Situation ein wenig anders ist, nicht wahr?«
»Inwiefern?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort wusste. Ich war einfach neugierig darauf, wie er es formulieren würde.
»Nun, Sie versuchen, ein ganz konkretes Ziel zu erreichen. Bei Ihrem Triathlon wird am Ende ein Teilnehmer gewinnen, und alle, die bis zum Ende durchhalten, werden etwas ganz Besonderes erreicht haben. Doch wenn ich mir ansehe, wie die amerikanischen Frauen untereinander und miteinander konkurrieren, sehe ich keine Siegerinnen, sondern nur mehr oder weniger Gescheiterte. Die Erwartungen, die sie an sich stellen, sind unrealistisch und, wie ich glaube, schädlich. Amerikanerinnen sind erfolgreicher, gebildeter, intelligenter und schöner
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