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Was uns glücklich macht - Roman

Was uns glücklich macht - Roman

Titel: Was uns glücklich macht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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habe alles mitgemacht. Ich sehe auf alle anderen Arten von Musik herab und auf jeden, der die Schönheit, die Schlichtheit, den Grimm und die Authentizität des Hip-Hop nicht zu schätzen weiß.
    Daher ist diese Sache mit John Denver wirklich schwer zu erklären.
    Fangen wir an, als Marie und ich nach unserer Wanderung zum Cathedral Lake den Berg runterkamen. Während wir durch Wälder und an klaren Bächen entlangwanderten und mir das Rauschen des Wassers in den Ohren klang, erkannte ich, dass ich mich mein Leben lang danach gesehnt hatte, hier zu sein, und es nicht gewusst hatte. Die ganze Zeit hatte ich gewusst, dass etwas fehlte, und nun wusste ich, was es war.
    Es war dieser Ort. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich endlich nach Hause gekommen. Das sagte ich auch zu Marie, als wir unten angekommen waren. Ich lehnte an der Motorhaube unseres Wagens und zog meine Wasserflasche heraus. Mein Rücken war verspannt und tat weh, und ich rieb ihn mir. »Ich brauche eine Massage«, sagte ich.
    Marie trat hinter mich und begann, meine Schultern zu kneten. Ich lachte.
    »Das war keine Aufforderung«, sagte ich. »Es war ein Vorschlag. Gehen wir zurück ins Hotel und buchen uns eine Massage, ich lade Sie ein. Eine für Sie, eine für mich.«
    »Eine Massage hatte ich noch nie«, sagte sie. »Ist es seltsam?«
    »Es ist seltsam, dass Sie noch nie eine Massage hatten. Aber es ist überhaupt nicht seltsam, sich massieren zu lassen. Im Gegenteil, es ist herrlich und genau der richtige Abschluss für einen Nachmittag, an dem man auf einen Berg gestiegen ist.«
    »Muss ich da nackt sein?«
    Ich nahm einen großen Schluck Wasser. »Auf dieser Reise, meine Liebe, müssen Sie gar nichts.«
    Das schien ihr zu gefallen.
    Ich blickte in die Sonne, zu den fernen Gipfeln, beobachtete einen Adler, der träge über den Horizont segelte. »Mein Gott, ist das herrlich hier«, sagte ich. »Ich war noch nie hier, und doch fühlt es sich an, als wäre ich heimgekommen.«
    »Genau wie John Denver.«
    Ich hätte beinahe so getan, als müsste ich mich übergeben. »Wie bitte?«
    »Aus dem Song ›Rocky Mountain High‹. Darin heißt es, er wäre an einem Ort heimgekommen, an dem er noch nie war. Er hat die Gegend hier gemeint, er hat in Aspen gelebt.« Marie lächelte. »Meine Mutter hat John Denver geliebt . Wir haben ihn zu Hause dauernd gehört.«
    »Wirklich?«, sagte ich amüsiert. »Sie sind in Brooklyn zu kitschiger Countrymusik aufgewachsen?«
    »Erstens«, erwiderte Marie beleidigt, »war John Denver kein Countrysänger, sondern hat Folkmusik gemacht; außerdem war er ein Poet und einfach brillant. Er war nicht kitschig. Wenn Sie so gern im Wald wandern, müssen Sie John Denver eigentlich auch lieben, denn darum geht es in all seinen Songs.«
    »Also gut, also gut«, gab ich nach. »Tut mir leid, dass ich das gesagt habe. Ich sag Ihnen was, wir ziehen uns jetzt aus und engagieren zwei hübsche Männer, die uns abreiben, was meinen Sie?«
    Sie lächelte. »Ich weiß nicht, ob Adam damit einverstanden wäre, wie Sie das gesagt haben, aber ich finde, es klingt gut. Und ich bringe Sie dazu, John Denver zu hören, solange wir hier sind, und ich verspreche Ihnen, dass er Ihnen gefällt.«
    Ich reckte meinen schmerzenden Rücken, setzte mich ans Steuer und raste zurück in die Stadt. Ich freute mich auf eine Massage, ein Steak, eine Flasche Wein. Ich rechnete nicht damit, dass John Denvers Name noch einmal fallen würde, weder an diesem Tag noch auf dieser Reise, noch überhaupt je wieder.
    Darin täuschte ich mich.
    Unsere erste Woche in Aspen war die reinste Wonne, anders kann man es wirklich nicht ausdrücken – und mit diesem Ausdruck schmeiße ich nicht gerade um mich. Ich stand jeden Tag mit der Sonne auf und sagte kein einziges Mal, ich wiederhole, kein einziges Mal »Zur Hölle mit dem Scheißkerl«. Ich sah einfach keinen Grund, es zu sagen. Vielleicht lag es an der Höhe oder an der Art, wie die Sonne strahlend über die Berggipfel stieg, oder daran, wie das Essen schmeckte, die Luft roch, der Wind klang. Das Auto benutzte ich nur, um zu den weiter entfernten Wanderwegen zu kommen, alles andere war zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen. Ich habe Marie sogar aufs Pferd bekommen. Mit fest zusammengezwickten Augen saß sie auf einer alternden Stute namens Tank, die am Fuß des Buttermilk Mountain über eine Koppel schlenderte.
    Am siebten Tag erfuhren wir das mit Phillip.
    Marie bekam die Nachricht als Erste; sie hatte ihr BlackBerry auf

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