Was uns glücklich macht - Roman
halte, ja.«
Ich sagte nichts. Ich dachte nichts. Ich atmete ein, ich atmete aus.
»Wie du ja weißt, Sammy, hast du die familiäre Vorgeschichte«, fuhr sie fort, »und diese Vorgeschichte bedeutet, dass du ein besonders hohes Risiko hast, an Brustkrebs zu erkranken. Du könntest auch eine Lumpektomie in Erwägung ziehen, da wird nur das betroffene Gebiet entfernt, aber der Chirurg wird mit dir sicher über die Entfernung der ganzen Brust sprechen, und meiner Meinung nach wäre das eine sehr vernünftige Lösung.«
Ich legte die Hände auf die Brüste, umfasste sie, drückte sie. Sie sind klein, immer schon, aber sie sind fest und aufrecht. Seit meiner Jugend habe ich nicht mehr viel Gedanken darauf verschwendet. Ich mag sie ganz gern, denke ich, aber ich könnte nicht sagen, dass ich sie liebe , und brauchen tue ich sie erst recht nicht.
»Darf ich fragen«, sagte ich, ich saß immer noch im Schneidersitz, rief immer noch zum Telefon hinüber, »wenn ich mir die Brust abnehmen lasse, wäre dann Schluss mit der Sache? Würde das heißen, dass es weg ist und ich bin vollkommen über dem Berg?«
»Die Antwort darauf ist kein einfaches Ja oder Nein. Ich will es nicht kompliziert machen, aber wir Ärzte sind manchmal wie Anwälte, wir legen uns ungern fest …« Ihre Stimme verklang.
Ich öffnete die Augen, nahm das Telefon in die Hand, schaltete den Lautsprecher aus und sprach sie direkt an. »Dr. Leslie, ich kenne Sie von klein auf. Sie haben meine Mutter gekannt, Sie kennen mich schon mein Leben lang. Als ich in der sechsten Klasse war, habe ich mit Ihrem Sohn Elliot Flaschendrehen gespielt. Als er mich geküsst hat, hatte er Kaugummi mit Traubengeschmack im Mund. Ich bitte Sie, selbst wenn das eigentlich nicht der üblichen Vorgehensweise entspricht, sagen Sie mir die Wahrheit, so wie Sie sie einer Freundin erklären würden, nicht einer Patientin, weil ich im Moment einfach wahnsinnig Angst habe. Das Einzige, was mir jetzt helfen würde, ist, die ganze Wahrheit zu erfahren, ob sie nun gut oder schlecht ist.«
Sie schwieg einen Moment. »Elliot ist jetzt Arzt«, sagte sie. »Er ist Assistenzarzt am New York Presbyterian am Broadway. Bestimmt würde er sich freuen, wenn ihr euch mal wieder treffen könntet. Wart mal, ich mach die Tür zu.« Es klang, als legte sie den Hörer hin, ich hörte es rascheln, und dann war sie wieder zurück. Sie keuchte ein wenig und sprach etwas leiser. »Okay, hör zu. Wir haben es hier mit einer Reihe von ›wenns‹ zu tun, daher kann ich nichts versprechen. Aber wenn du einen nichtinvasiven Tumor hast, also einen, der noch nicht gestreut hat, und wenn das alles ist, was man bei der Mastektomie findet, dann bist du im Wesentlichen geheilt. Wir legen uns ungern fest, und nicht nur deswegen, um uns abzusichern, sondern weil manchmal auch Dinge geschehen, die wir nicht erwarten, die gar nicht geschehen dürften. Aber die Antwort, die du hören willst, lautet: Ja, wenn sie nicht mehr finden, als ich erwarte, dann bist du mit allergrößter Wahrscheinlichkeit geheilt, nachdem sie dir die Brust abgenommen haben.«
Damit war die Sache für mich entschieden, in diesem Augenblick auf dem Boden, mit dem Telefon in der Hand. Ihre Stimme drang noch an mein Ohr, aber ich registrierte schon nicht mehr, was sie sagte. Ich hatte alles gehört, was ich hören musste. Es würde neue Fragen geben, aber dafür war später Zeit. In diesem Augenblick wusste ich, was ich wollte. Ich wollte den Chirurgen so bald wie möglich aufsuchen. Wenn möglich, wäre ich noch am selben Abend hingegangen.
Und ich wusste, wer ich war, wer ich bin, vielleicht deutlicher, als ich es je gewusst habe.
Ich bin zu stark, um mich davon aufhalten zu lassen.
Ich bin zu gesund, um von irgendetwas oder irgendwem besiegt zu werden.
Ich bin zu entschlossen, um Angst zu haben.
Und ich bin am Leben. Das werde ich nie wieder für selbstverständlich erachten.
Meine Brüste sind mir nicht wichtig, und ich brauche keinen Mann, dem sie wichtig wären. Einen Mann, den ich wegen so etwas verlieren würde, wäre meiner von Anfang an nicht würdig gewesen.
Ich lasse die Operation machen, und dann werde ich mein Leben ohne zu zögern weiterleben. Der Schlüssel zum Leben liegt darin, einen Plan zu haben, ein Ziel, und dann einen Kurs zu berechnen, der einen dorthin bringt, und das habe ich gemacht. Ich sehe den Pfad, ich sehe bereits das Ziel, ich sehe mich am Ziel, und ich finde es großartig, wo ich bin und wer ich sein werde,
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