Was uns glücklich macht - Roman
»Florence und ich. Dann bis um sechs?«
Ich bemühte mich sehr, nicht so erleichtert auszusehen, wie ich mich fühlte. »Bis um sechs.«
So lässig ich konnte, wandte ich mich ab, als er davonging. Ich blickte hinaus auf das Tal, während ich auf die knackenden Zweige hinter mir lauschte. Mann und Hund waren dabei, sich zu entfernen, vielleicht über die Wiese und dann am Hunter’s Creek hinunter. Vielleicht ging er einen Weg, den ich noch nicht kannte. Wie auch immer, ich musste unbedingt noch rasch einen Blick auf seinen Hintern werfen.
»Hey«, rief ich und wandte den Kopf, sodass ich einen guten Blick bekam, bevor er sich umdrehte. Fit, aber nicht übertrieben, gut in Form, aber nicht angeberisch zur Schau gestellt. Wunderbar. »Warum haben Sie sie Florence genannt?«
Er lächelte. »Das ist meine zweitliebste Stadt.«
»Das gefällt mir«, sagte ich. Ich war sogar begeistert. »Dann bis heute Abend.«
Er nickte, und dann gingen sie. Ein Mann und sein Hund. Ein großartiger Mann und sein Hund. Vielleicht bald mein Mann und sein Hund. Es wäre möglich. Schließlich sind schon seltsamere Dinge passiert.
Während ich ihm nachsah, veränderte sich etwas in mir. Zum Besseren, dachte ich, und für immer. Von diesem Augenblick an, beschloss ich, will ich wirklich von liebender Güte erfüllt sein. Ich will wirklich Frieden und Gelassenheit empfinden. Ich will wirklich glücklich sein. Wer weiß, was passiert. Vielleicht würde Stephen sich heute Abend an mich ranmachen. Vielleicht hätten wir einen One-Night-Stand, der einmal eine kostbare Erinnerung sein würde – oder es würde sich mehr ergeben, viel mehr. Ich würde nach einer Nacht der Leidenschaft und Zärtlichkeit in seinem Bett aufwachen, aus seinem Fenster schauen, die Sonne über den Bergen aufgehen sehen und beschließen, es ihm nachzumachen und für immer zu bleiben. So kämen wir zusammen.
Und vielleicht würde nichts von alledem geschehen, aber ist es nicht wunderbar, dass es geschehen könnte?
Ich stand auf und klopfte mir den Staub vom Po, trat dann an den Rand der Plattform und sah hinaus auf alles, die Bäume, die Wasserläufe, die Seilbahn am Fuß von Aspen Mountain. Ich sah, wie ein Flugzeug am Horizont entlangzog und dann im Flughafen ein paar Kilometer weiter landete. Der Horizont war grenzenlos, voll unendlicher Möglichkeiten. Und das, erkannte ich, ist die Antwort auf die Frage, was das Leben lebenswert macht. Es geht um all die wunderbaren Dinge, die noch passieren können, wenn wir es nur zulassen. Und in diesem Augenblick wusste ich, dass ich eines Tages zurückblicken und sagen würde, dass dieser Tag der schönste meines Lebens gewesen sei.
ZWEITER TEIL
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Samantha R.
BrustKrebsForum.org
Greenwich, Conn
Registriert seit: 30 . 09 . 2011
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Hallo, ich heiße Samantha Royce, und ich habe Brustkrebs.
Ist das der richtige Anfang?
Ich weiß nicht genau, was hier üblich ist. Mein Einstieg klingt ein wenig nach den Anonymen Alkoholikern, wo ich übrigens noch nie gewesen bin, aber ich kenne es aus Filmen und aus Büchern; man stellt sich der Gruppe vor und berichtet dann von seinem Problem. Vielleicht ist es in einem Selbsthilfeforum für Brustkrebs genauso. Ich weiß es wirklich nicht. Ich werde es wohl beim Schreiben herausfinden müssen.
Ich sollte euch wohl sagen, wer ich bin, denn mir ist wichtig, dass ihr wisst, dass ich nicht nur Krebspatientin bin. Hoffentlich versteht das jetzt niemand falsch. Ich weiß, ihr seid auch alle Krebspatientinnen, ich will das nicht kleinreden, wirklich nicht, aber das macht mich nicht aus als Mensch, und euch wahrscheinlich auch nicht. Ich unterstelle mal, ihr seid, wie ich auch, die Tochter von jemandem, die Schwester von jemandem, vielleicht die Frau von jemandem oder die Mutter. Vielleicht die Chefin von jemandem. Ich bin manches davon, nicht alles. Ich bin weder die Chefin von jemandem, noch irgendjemandes Frau, oder Mutter und ich bin mir nicht sicher, ob ich es jemals sein werde. Ich meine, ich war mir schon letzte Woche nicht sicher, ehe diese Bombe geplatzt ist, und jetzt bin ich mir sogar noch weniger sicher.
Wer bin ich also? Ich bin achtundzwanzig Jahre alt. Ich bin in Greenwich, Connecticut, aufgewachsen. Ich liebe Sport, weniger als Zuschauerin, sondern vor allem aktiv. Ich bin gern draußen, wandere gern, fahre gern Rad, laufe gern. Ich bin eine gute Athletin. Vor drei Wochen habe ich den Ironman Triathlon in Kona, Hawaii, geschafft. Es waren 3,8 km zu
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