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Was uns glücklich macht - Roman

Was uns glücklich macht - Roman

Titel: Was uns glücklich macht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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es Ihnen so detailliert erklären, wie Sie möchten …«
    »Das brauchen Sie nicht«, sagte ich. »Ich weiß, was es bedeutet.« Ich wusste es nicht. Ich hatte keine Ahnung, was es zu bedeuten hatte, ich wollte es nur einfach nicht erklärt bekommen. »Sollte ich eine zweite Meinung einholen?«, fragte ich.
    »Wirklich, das ist keine Meinung«, sagte sie. »Wenn Sie möchten, dass jemand anders einen Blick auf Ihre Aufnahmen wirft, bevor wir die Biopsie machen, dann können wir das arrangieren, aber an dem, was wir hier vor uns haben, besteht wirklich keinerlei Zweifel. Ich will nicht, dass Ihnen das irgendwie beängstigend erscheint, denn höchstwahrscheinlich besteht kein Grund, sich Sorgen zu machen, aber bei Ihrem familiären Hintergrund steht für mich außer Frage, dass wir eine Biopsie machen sollten.«
    »Wann wird das gemacht?«, fragte ich. Ich rieb mir die Hände. Meine Handflächen waren kalt und feucht.
    »Lassen Sie mich rasch telefonieren«, sagte sie. »Wenn ich die Zustimmung der Versicherung bekomme, können wir es sofort machen.«
    Und das tat sie. Sie betäubte die Oberseite meiner Brust mit einer Spritze, führte eine Nadel ein und entnahm etwas Gewebe. Es tat höllisch weh, trotz Lidocain. Sie sagte mir, dass die Ergebnisse in achtundvierzig Stunden vorlägen. Das war am Dienstagnachmittag. Ich glaube nicht, dass ich in der Nacht zum Mittwoch überhaupt geschlafen habe, oder in der Nacht darauf. Das Sportstudio ließ ich an beiden Tagen ausfallen. Ich ging nicht ans Telefon, antwortete auf keine SMS , keine E-Mail. Die Zeit verging quälend langsam. Davor war ich voll Energie und Hoffnung gewesen, doch jetzt fühlte ich mich lethargisch und traurig. Endlich klingelte das Telefon, Donnerstagabend kurz vor sechs. Ich erkannte die Nummer nicht, und so ging ich dran.
    »Hallo, Sammy.«
    Es war meine Frauenärztin. Nur Leute, die mich wie sie seit der Kindheit kennen – ich bin mit ihrem Sohn aufgewachsen –, nennen mich so. Ich benutze den Spitznamen seit zehn Jahren nicht mehr. Der Name macht mir nichts aus, doch ihr Ton gefiel mir nicht. Sie klang, als gäbe sie sich wirklich größte Mühe, mich nicht zu beunruhigen, was mir weitaus mehr zu denken gab, als wenn sie einfach mit der Wahrheit herausgerückt wäre.
    »Was haben die Tests ergeben?«, fragte ich.
    »Am besten kommst du morgen früh zu mir, dann besprechen wir es.«
    Das war der Moment, in dem meine Lethargie in Panik umschlug. Meine Hände zitterten, ich hielt den Hörer von meinem Kopf weg und sah, wie er in meinen Fingern bebte.
    »Sie müssen es mir sofort sagen«, bat ich, den Hörer immer noch vom Mund entfernt. »Bis morgen früh kann ich nicht warten.«
    Ich stellte das Telefon auf Lautsprecher und legte es auf den Fußboden. Dann legte ich mich flach auf den Bauch, um zu hören, was sie zu sagen hatte.
    »Samantha, es wurden entartete Zellen gefunden, Krebszellen«, sagte sie. Ihre Stimme klang hohl und blechern. »Wir sollten darüber von Angesicht zu Angesicht sprechen, aber du musst einen Brustchirurgen aufsuchen.«
    Ich spürte, wie mein Herz gegen den Holzfußboden schlug.
    »Es sind bösartige Zellen, aber nichtinvasiv. Das bedeutet, dass vermutlich keine Krebszellen in den Körper gestreut werden, aber man muss sich darum kümmern. Wenn wir morgen miteinander reden, nenne ich dir einen Brustchirurgen.«
    Ich setzte mich aufrecht hin, im Schneidersitz, und rief in Richtung Telefon: »Was meinen Sie mit Brustchirurg? Wie eine Brustkorrektur?«
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte sie, und ich begann beim Zuhören tief ein- und auszuatmen, ein und aus, genau wie zu Beginn einer Yogastunde. »Früher gab es Chirurgen, die alles gemacht haben, an einem Nachmittag haben sie zum Beispiel zwei Gallenblasen operiert, einen Bruch gerichtet und dann eine Brust- OP gemacht. Aber jetzt haben wir Ärzte, die sich auf die Brustchirurgie spezialisiert haben. Ich schick dich zu einem.«
    Allmählich kapierte ich es. Ich glaube, ich wusste die Antwort, bevor ich meine nächste Frage stellte.
    »Meinen Sie damit, ich muss mir die Brust abnehmen lassen?«
    Zwischen meinen Knien und dem Telefon entstand langes Schweigen. Ich bemühte mich nach Kräften, die Stille mit meinem Atem zu füllen. Ich hatte es nicht eilig, die Antwort zu hören.
    »Das ist nicht meine Entscheidung«, sagte sie schließlich. »Die Entscheidung wirst du treffen, in Absprache mit dem Chirurgen. Aber wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich es für möglich

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