Was uns nicht gehört - Roman
einer Geste ihrer Hand, mich umzudrehen, und während sie sich in meinem Rücken anzog, fiel mir auf einmal mein Vater ein, mein Vater und Momo, nein, mein Vater und Pschorri, spätestens um drei wollte ich bei ihnen sein und mit ihnen Geburtstag feiern.
«Der Groupie», sagte ich, «muss nachdenken.»
«Gut», sagte Maria hinter mir, «und jetzt raus mit dir.»
Ich drehte mich um und sah sie neben ihrem Tisch in ihrer Abendkostümierung stehen, in der Hand ein Mikrofon, als würde sie gleich hier mit ihrer Vorstellung beginnen.
«Gut», sagte auch ich. Augenblicke später war ich aus der Tür.
Zu Hause blinkten auf meinem Anrufbeantworter drei Anrufe. Ich war mir sicher, dass das der Beginn von Sonjas Belagerung oder zumindest der ihrer Beschimpfungen war, und ich wusste nicht, welche der beiden Varianten ich bevorzugte. Minutenlang drückte ich mich in meiner Wohnung herum, wissend, dass ich meiner Neugier irgendwann doch nachgeben würde, und als ich es schließlich tat, hörte ich dreimal hintereinander dieselbe Stimme vom Band, die mir versuchte, ein Gewinnspiel schmackhaft zu machen, bei dem ich angeblich bereits zehntausend Euro gewonnen hatte. Als hätte ich etwas verpasst, drückte ich den Abspielknopf noch einmal, doch auch in der zweiten Runde mischte sich Sonjas Stimme nicht unter die Gewinnmeldungen. Nicht dass ich mich auf einmal nach ihr zurücksehnte, aber ich glaubte, ein Anrecht auf wenigstens ein bisschen Empörung zu haben, und es kränkte mich, dass Sonja meinen Rausschmiss so klaglos hinnahm.
Ich zog mich um und machte mich auf den Weg ins Pflegeheim. In einer Metzgerei kaufte ich drei dicke Scheiben Schweinebraten, die ich mir mit Speckscheiben ummanteln ließ, aber als ich damit bei meinem Vater ankam, wollte der von Pschorris Geburtstag auf einmal nichts mehr wissen. So wenig wie von Momo und dem Schweinebraten, den er, kaum hatte ich ihn vor ihm ausgepackt, mit erstaunlich geschickten Bewegungen seiner Hände wieder in das Metzgereipapier einschlug und mir entgegenhielt.
«So etwas», sagte er, «essen wir hier nicht.»
«Aber wir wollten doch zusammen feiern», erwiderte ich. «Der Pschorri, er hat doch Geburtstag.»
Mein Vater schaute mich an. Auf seinem Gesicht lag ein warmes Lächeln, das mir neu an ihm schien. Seine Hände ruhten in seinem Schoß. Er nickte. «Der Pschorri ist jetzt auch schon alt», sagte er, «da muss man aufpassen.»
«Aufpassen worauf?», fragte ich.
Mein Vater lachte kurz, dann ließ er sein Kinn auf die Brust sinken und verharrte so mehrere Minuten.
«Sie müssen jetzt gehen», sagte er schließlich, «hier ist gar kein Besuch erlaubt.»
Er hob den Kopf und sah mich an. Sein Gesicht hatte immer noch etwas Fröhliches, seine Stimme aber klang mit einem Mal matt und erschöpft.
«Und der Pschorri?», fragte ich und deutete auf Momo, der sich in der Zwischenzeit beleidigt über seine Nichtbeachtung vor der Balkontür eingerollt hatte und dort zu schlafen schien.
Mein Vater schüttelte den Kopf. «Ich kenne den», sagte er, «aber der Pschorri ist das nicht.»
«Genau», rief ich begeistert aus, «ganz genau, der Pschorri ist ja viel größer.»
Ich fasste nach der Hand meines Vaters, als gälte es, seine neugewonnene Erkenntnis damit zu besiegeln, aber mein Vater wollte nichts besiegeln und wischte meine Hand unsanft zur Seite.
«Sie müssen jetzt gehen», sagte er noch einmal, «Sie wollen mir nichts Gutes.»
«Doch, Papa», erwiderte ich, «ich will dir nur Gutes», aber mein Vater schien sich darauf nicht verlassen zu wollen und begann noch im selben Moment zu schreien.
Ja, mein Vater schrie, er schrie um Hilfe, er schrie, als ginge es um Leben und Tod, und erst als mich die Pfleger, die ihm zu Hilfe eilten, kurz aus dem Zimmer baten, hörte ich von draußen, wie er sich nach und nach wieder beruhigte. Momo kauerte eng an meiner Seite und sah immer wieder angstvoll zu mir auf.
«Ach, Momo», flüsterte ich, und weiter wusste ich nicht, was ich ihm sagen sollte.
III Maria fuhr schnell. Nicht schneller als andere auf der Autobahn, aber doch schneller, als es ihr Camping-Bus vertrug. Alles um mich herum vibrierte, der Boden, mein Sitz, die Tür, in die ich mich von Zeit zu Zeit verkrallte, ja sogar das kleine Stoffreh, das vor mir auf der Ablage klebte, zitterte, als sei sein Ende nur noch eine Frage von Minuten. Auch ich zitterte, umso mehr, da ich nach einiger Zeit bemerkte, dass wir nur einen funktionierenden Scheinwerfer hatten. Stumm
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