Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
Vom Netzwerk:
meinen Körper und weiter in mein Geschlecht, aber als ich auch nur die Andeutung eines Versuchs unternahm, ein paar Zentimeter auf Maria zuzurücken, gab sie mir mit so sanftem wie entschiedenem Druck ihrer Hand zu verstehen, dass mein Platz dort war, wo ich lag, unter dem Bücherregal, und dass sich daran auch im weiteren Verlauf der Nacht nichts ändern würde.
    Ich schlief unruhig und lange Zeit gar nicht und hörte gleichermaßen Maria neben mir beim Schlafen zu wie der Natur um uns herum, die sich immer wieder mit Knack- und Raschellauten in Erinnerung brachte und mir so jedes Mal für weitere Minuten den Schlaf raubte. Einmal gar ein Jaulen oder Heulen, wie von einem angefahrenen Hund oder einem liebestollen Fuchs, dabei hatte ich weder das eine noch das andere je in meinem Leben gehört. Erst gegen Morgen fiel ich in tiefen Schlaf und träumte von Loos, der mit Sonja an einem Strand herumtollte, daneben seine Frau, die auf einem Handtuch sitzend Kinderfäustlinge strickte. Was für ein Unsinn, dachte ich noch im Traum, Sonja und Loos kennen sich doch gar nicht, aber dann legte Loos’ Frau ihre Stricksachen beiseite und sagte, dass Sonja und ihr Mann Geschwister seien, und ich wunderte mich, dass mir Sonja nie etwas davon erzählt hatte.
    Als ich aufwachte, war es bereits hell. Das Licht, das durch die Seitenfenster des Wagens auf mich und die Matratze fiel, flackerte eigenartig, und ich brauchte einige Sekunden, bis ich begriff, dass wir zurück auf der Straße waren. Ich richtete mich auf und sah Maria hinter dem Lenkrad, die aus dem Fahrerfenster rauchte und ihren Camping-Bus einarmig eine Allee entlang lenkte, deren Bäume über der Straßenmitte miteinander verwachsen schienen. Sie bemerkte mich nicht oder gab vor, mich nicht zu bemerken, und erst als ich mich mit den Beinen bereits vor zur Bettkante gearbeitet hatte und gerade dabei war, gegen das Ruckeln des Wagens aufzustehen, schaute Maria in den Rückspiegel und machte mit den Fingern ihrer rechten Hand das Victory-Zeichen.
    «Du hast überlebt», rief sie und drehte sich kurz zu mir um.
    «Wie spät ist es?», fragte ich.
    «Kurz vor Remagen», erwiderte Maria, «dafür, dass du dich nützlich machen wolltest, bist du bis jetzt ein ziemlicher Totalausfall.»
    Sie lachte und warf ihre Zigarette aus dem Fenster, kurz darauf bremste sie den Wagen abrupt ab und hielt zwischen zwei Bäumen am Straßenrand.
    «Kannst du wenigstens Auto fahren», sagte sie, «das wäre mal so was wie ein Anfang.»
    Ohne auf meine Antwort zu warten, schob sie sich über die Mittelkonsole auf die Beifahrerseite und ließ sich dort geräuschvoll in den Sitz fallen. Ich sah an mir herunter, sah auf meine gestreifte Pyjamahose und meine nackten Füße, und als Maria auf dem Beifahrersitz begann, demonstrativ falsch ein Lied zu pfeifen, stand ich auf und kletterte durch den Durchlass auf den Fahrersitz.
    «Diesel», sagte Maria, «vorglühen!»
    Ich nickte und drehte den Schlüssel im Zündschloss, und als das orange Vorglühsymbol Sekunden später erlosch, startete ich den Wagen.
    «Kann sein, ich bin ein bisschen aus der Übung», sagte ich.
    «Rechts Gas, links Kupplung, den Rest erkläre ich dir unterwegs.» Maria lachte. Sie ließ sich tiefer in ihren Sitz rutschen und stemmte ihre Füße gegen das Handschuhfach. «Komm schon», sagte sie, «fahr los!»
    Am Abend saßen wir in einem Restaurant am Rhein. Das Essen war nicht billig und nicht gut, aber der Blick auf den Fluss und die vorbeifahrenden Schiffe entschädigte uns ein bisschen für unsere schlechte Wahl. Das Lokal war kaum zur Hälfte besetzt, trotzdem schienen die Ober überfordert zu sein. Sie waren unwirsch und ungeschickt, und kurz nachdem ihnen zwei Mal hintereinander etwas zu Boden gefallen war, gab es in der Küche einen kleinen Tumult.
    «Vielleicht», sagte Maria, «sollten sie lieber irgendetwas machen, woran sie Spaß haben.»
    «Die Ober?», fragte ich.
    «Alle», sagte Maria, «die Ober mögen nicht bedienen, der Koch mag nicht kochen, und die Frau hinter der Theke mag kein Bier zapfen, so kommt man nicht durchs Leben.»
    Ich drehte mich um und schaute zur Theke, und tatsächlich sah ich auch dort in ein mürrisches Gesicht. Die Lippen der Frau bewegten sich, als würde sie mit sich selbst sprechen, aber dann entdeckte ich einen kleinen Jungen, der auf einem Barhocker am Ende der Theke saß und dort mit Bierdeckeln einen Turm baute. Der Junge schien die Frau nicht zu beachten, und erst als er den

Weitere Kostenlose Bücher