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Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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würden.»
    Maria schwieg. Sie nestelte ihre Zigaretten aus der Hosentasche und zündete sich eine an, den Rauch blies sie vor sich gegen die Windschutzscheibe.
    «Sagen wir, ich war vorbereitet», sagte sie, nachdem sie drei oder vier Züge genommen hatte, «ich schließe den Wagen nie ab, das eröffnet zusätzliche Möglichkeiten.»
    «Und morgen», sagte ich, «singst du wieder von Paris und der Liebe.»
    Maria nickte. «Und morgen singe ich wieder von Paris und der Liebe. Und wenn du ein Problem damit hast, bringe ich dich jetzt zum nächsten Bahnhof und kaufe dir eine Fahrkarte nach Hause. Von genau dem Geld, das wir gerade eben gespart haben.»
    Wir fuhren auf einen Wagen mit Anhänger auf, aus dem zwei Pferdeschweife in die Nacht wehten, aber anders, als ich es von Maria gewohnt war, überholte sie nicht, sondern fügte sich in die Geschwindigkeit des Gefährts vor uns, und auch als der Wagen einen guten Kilometer weiter in den Hof eines Anwesens abbog, zuckelten wir im selben Tempo weiter. Mir war nicht klar, was genau Maria mir damit demonstrieren wollte. Vielleicht wollte sie mir einfach nur Zeit zum Überlegen geben, vielleicht aber auch stellte sie mich erneut auf die Probe. Dabei hatte ich meine Angst vor möglichen Verfolgern längst abgelegt. Längst oder zumindest ein bisschen, kein Mensch, so versuchte ich mir einzureden, setzte sich für fünfzig Euro nachts in den Wagen und versuchte, zwei Zechpreller ihrer gerechten Strafe zuzuführen.
    «Entschuldige bitte», sagte Maria plötzlich in die Stille zwischen uns, «das war nicht fair.»
    «Das mit dem Bahnhof?»
    Maria nickte. «Das auch.»
    Wir passierten ein Ortsschild, und Maria bremste den Wagen weiter ab. Wenig später hielten wir auf einem kleinen Parkplatz mit Blick auf die Dorfkirche.
    «Genug Aufregung für heute», sagte Maria und stieg über die Mittelkonsole nach hinten, «komm!»
    Ich schaute ihr zu, wie sie sich auszog und in ihren Pyjama schlüpfte, und ohne noch einmal zu mir hinzusehen, verkroch sie sich unter ihrer Decke. Obwohl mir das Halbdunkel des Busses nicht allzu viel von Marias Nacktheit offenbart hatte, umgab mich ein Gefühl wohliger Wärme. Möglich, dass sie mir damit ein verstecktes, nein, ein gänzlich unverstecktes Zeichen für mehr gegeben hatte, dabei war ich mir auf einmal gar nicht mehr sicher, ob ich wirklich mit ihr schlafen wollte. Vielleicht würde es irgendwann einfach passieren, wie so vieles irgendwann einfach passierte, aber anders als bei Sonja glaubte ich nicht, dass es eine Notwendigkeit dafür gab. Keine Notwendigkeit und vielleicht nicht einmal ein wirkliches Verlangen, ein Gedanke, der mich ins Grübeln brachte. Ich blieb noch eine Weile sitzen und sah Maria beim Schlafen zu, und als ich mich schließlich müde gegrübelt hatte, folgte ich ihr und legte mich neben sie ins Bett. Minuten später war auch ich eingeschlafen.
    Marias Konzert fand im Speisesaal eines Seniorenheims statt, das sich über mehrere Gebäude entlang eines gepflegten Parks erstreckte, durch den ein labyrinthisches Netz von Wegen führte. Die Menschen darauf sahen vom Fenster des Saals aus wie Figuren eines riesigen Spiels, die sich lautlos Zug um Zug voranbewegten und zwischendurch immer wieder auf einer der zahlreich bereitstehenden Bänke eine Runde aussetzten. Ich dachte an meinen Vater und daran, dass ich mich seit unserem Aufbruch kein einziges Mal telefonisch nach ihm erkundigt hatte. Seit unserer missglückten Geburtstagsfeier für Pschorri waren drei Tage vergangen, drei Tage, die er ruhig in seinem Sessel verbracht haben mochte oder schreiend in seinem Bett. Zudem war ungewiss, wann ich ihn das nächste Mal würde besuchen können. Alles war ungewiss, allem voran mein Leben, das ich ohne weiteren Plan zu Hause zurückgelassen hatte und das dort auf meine Rückkehr wartete. Meine Wohnung, mein in seinen letzten Zügen liegendes Konto, mein Job im Mahagoni , vielleicht sogar Sonja. Sicherheitshalber hatte ich noch am Abend unserer Abfahrt mein Handy ausgeschaltet, um nicht auf diesem Weg von ihr drangsaliert zu werden. Oder ich hatte es deshalb ausgeschaltet, um nicht sehen zu müssen, dass ich nicht von ihr drangsaliert wurde, ja, vielleicht war es auch das.
    Immerhin um meinen Job musste ich mir vermutlich ab heute keine Gedanken mehr machen. In ein paar Stunden begann mein Abenddienst im Mahagoni , ein Blockflötenkonzert, das die Besucher mit ihren Mänteln auf den Knien würden verbringen müssen. Ich hatte Roloff

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