Was uns nicht gehört - Roman

sechsten Stock vollendet hatte, sah er von seinem Werk auf. Die Frau nickte ihm anerkennend zu, und er lächelte zurück, dann fiel der Turm in sich zusammen, und der Junge begann von Neuem.
    Ich drehte mich wieder zu Maria und deutete zur Theke, aber Maria beachtete mich nicht und hob stattdessen den Arm und rief einen der Ober an unseren Tisch.
    «Wir würden gerne rauchen», sagte sie, als er schließlich neben uns stand, «Sie haben doch sicher irgendwo eine Möglichkeit.»
    «Leider nein», erwiderte der Ober, auf einmal bemüht, freundlich zu sein, «da müsste ich Sie nach draußen bitten.»
    Maria schien einen Moment zu überlegen, dann nickte sie.
    «Gut, und Sie machen uns in der Zwischenzeit schon mal zwei Kaffees, damit wir uns danach wieder aufwärmen können.»
    «Zwei Kaffees, sehr gerne», wiederholte der Ober und ging weiter an den Nebentisch, an dem ein älterer Mann seit geraumer Zeit ungeduldig mit seinem Portemonnaie winkte. Unsere Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, und ohne erkennbaren Grund nickte der Mann mir zu. Er nickte mir zu, als gäbe es irgendein Einverständnis zwischen uns, vielleicht über das schlechte Essen, vielleicht über die unaufmerksamen Ober, die nicht kamen, wenn man sie rief, ich wusste es nicht.
    «Komm», sagte Maria, «lass uns gehen.»
    Sie stand auf, und obwohl ich immer noch mit einem halben Gedanken bei dem Mann am Nebentisch war, folgte ich ihr. Wir nahmen unsere Jacken von der Garderobe und gingen nach draußen, und nachdem wir uns beide eine Zigarette angesteckt und einen ersten Zug genommen hatten, deutete Maria mit einer kurzen Geste ihres Kopfes hinaus in die Nacht.
    «Was siehst du?», fragte sie.
    «Keine Ahnung», erwiderte ich, «was soll ich sehen?»
    Ich ließ meinen Blick über die Straße und die dort parkenden Autos fliegen, und wirklich, mir fiel nichts Ungewöhnliches ins Auge. Es war kalt, ich fror, schräg gegenüber flackerte eine Laterne.
    «Was siehst du?», fragte Maria noch einmal.
    Ich zuckte mit den Schultern. «Autos», sagte ich, «zwei Motorräder, deinen Camping-Bus.»
    Maria nickte, und ich spürte, wie sie ihre Hand unter meinen Arm schob. «Auf drei», flüsterte sie.
    Ich begriff nicht oder begriff doch, aber obwohl ich Maria neben mir bereits leise zählen hörte, glaubte ich noch immer, dass sie das alles nicht ernst meinte. Nicht ernst meinen konnte, doch schon im nächsten Moment spürte ich einen Ruck an meinem Arm, und ehe ich mich versah, rannte ich an Marias Seite auf ihren Wagen zu. Das Bild zweier auf dem Tisch dampfender Kaffees schoss mir in den Kopf, wer, so dachte ich, sollte sie nun trinken, als Maria bereits die Fahrertür aufriss und sich auf ihren Sitz warf. Ich beeilte mich, um den Wagen zu kommen und es ihr gleichzutun, aber erst, als auch ich auf meinem Sitz saß und Maria dabei zusah, wie sie den Schlüssel im Zündschloss drehte und nervös auf das Verlöschen des Vorglühsymbols wartete, wurde mir bewusst, dass sie ihren Wagen, bevor wir ins Lokal gegangen waren, nicht abgeschlossen hatte. Ich schaute über sie hinweg zum Eingang, wo jede Sekunde einer der Ober auftauchen und unserer Flucht mit ein paar entschlossenen Schritten ein Ende setzen konnte, komm schon, dachte ich, fahr endlich los.
    «Komm schon!», zischte auch sie, dann endlich startete sie den Motor und riss den Wagen aus der Parklücke auf die Straße, mit kreischenden Reifen fuhren wir davon.
    Immer wieder schaute ich zurück, auch dann noch, als das Lokal hinter uns längst nicht mehr zu sehen war. Was um alles in der Welt hatten wir getan? Was hatte Maria getan? Ich wollte nach Hause. Ich wollte die Zeit zwei Stunden, besser noch zwei Tage zurückdrehen. Ich wollte in mein Bett, ich wollte schlafen, ich wollte Maria nie begegnet sein.
    «Keine Angst», sagte sie, «wenn man weg ist, ist man weg.»
    «Scheiße», sagte ich, «das war scheiße, eine riesengroße Scheiße.»
    Maria lachte. «Ja, das Essen war scheiße, genau deshalb haben wir ja nicht bezahlt.»
    Ich sah sie von der Seite an. Maria wirkte fröhlich, fast ausgelassen. Ihr Oberkörper wippte leicht vor und zurück, als hätte sie ein Lied im Kopf, das sie in Gedanken mitsang, und ich begann zu ahnen, dass das hier nicht ihr erstes Mal gewesen war. Nicht ihr erstes und nicht ihr letztes, und darüber, was das für mich bedeutete, wollte ich lieber nicht zu genau nachdenken.
    «Du hast es vorher gewusst», sagte ich, «du hast gewusst, dass wir nicht zahlen