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Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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jetzt ist er tot.
    «Wie dem auch sei», sagte Dr. Janson, «es geht ihm nicht gut damit. Besser, Sie kommen vorbei.»
    «Ja», erwiderte ich, «ich meine nein, ich bin auf Reisen.»
    Dr. Janson am anderen Ende der Leitung schwieg einen Moment, dann sagte er: «Gut, das ist Ihre Sache, ich wollte nur, dass Sie es wissen.»
    Er verabschiedete sich und legte auf, und ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich zusammen mit meinem Vater traurig sein oder mich vielmehr freuen sollte, dass er sich ganz offensichtlich an etwas aus seinem Leben erinnert hatte, auch wenn es das vielleicht Schmerzlichste war, was aus den Tiefen seines versunkenen Gedächtnisses noch einmal ans Tageslicht hatte aufsteigen können.
    Ich ging zurück ins Haus und wartete vor dem Speisesaal auf das Ende des Konzerts, aber Maria, so schien es, war in Singlaune und wollte nicht aufhören, auch dann nicht, als die Pflegekräfte bereits die Türen öffneten und wild in ihre Richtung gestikulierend auf die Wägen mit dem Abendessen deuteten, die sich im Flur vor dem Saal stauten. Als Maria auch darauf nicht reagierte, ging einer von ihnen nach vorne und beendete ihr Konzert, indem er ihr mit einer Verbeugung einen Strauß Blumen überreichte, den er kurz zuvor aus einer der Vasen auf den Tischen gezogen hatte. Maria spielte das Spiel mit, aber als ich sie nach dem Konzert in ihrer Garderobe traf, hatte sie ihre Beherrschung längst von sich geworfen.
    «Ist es nicht unglaublich», schrie sie, «da haben die alten Leute eine Freude wie seit zwanzig Jahren nicht mehr, und dann haben die Idioten Angst, dass ihnen ihre Fressmaschinerie durcheinander kommt, und holen mich von der Bühne.»
    Marias Garderobe war in einer Art Besenkammer untergebracht, die nur notdürftig für ihre vorübergehende Bestimmung freigeräumt worden war. Auf einem Putzwagen lag der Strauß Blumen, an dem Maria unübersehbar bereits ihre Wut ausgetobt hatte.
    «Es war trotzdem schön», sagte ich.
    «Ja», sagte Maria, «aber es hätte großartig sein können, und mit so einem Ende ist es einfach nicht großartig. Stell dir vor, ich hatte mir extra Akropolis adieu bis zum Schluss aufgehoben, verstehst du, Es geht mir gut, Chéri am Anfang und Akropolis adieu am Schluss, und dann lassen sie es mich nicht mehr singen, nur weil vor der Tür schon ihre Graubrotcontainer warten.»
    Maria nahm ihre Perücke ab und warf sie zu den Blumen auf den Putzwagen. Dort lag sie wie eine abgestreifte Mütze, die fleischfarbene Innenhaut aufgerieben und bereits an mehreren Stellen notdürftig gestopft, ein Stück versehrtes Leben, nackt wie ein abgeschnalltes Plastikbein oder ein Gebiss im Wasserglas. Ich überlegte einen Moment, dann nahm ich Marias Perücke vom Putzwagen und reichte sie ihr.
    «Sing es für mich!», sagte ich.
    «Für dich?», fragte Maria ungläubig zurück.
    Ich nickte. «Ja, dann ist das Konzert komplett.»
    Maria zögerte, und ich sah, wie sie innerlich mit irgendwelchen Einwänden kämpfte, aber schließlich nahm sie die Perücke und setzte sie auf. Sie deutete eine kleine Verbeugung an, dann sagte sie «Für Epkes» und sang. Ihre Stimme klang anders als zuvor, rauher und drängender und fast ein wenig aufgeregt. Dabei sang Maria ohne jede Theatralik, ohne Geste, ihre Arme links und rechts eng an den Körper angeschmiegt, als gälte es auf alles zu verzichten, was von ihrem Gesang ablenken konnte, und ich spürte, wie ich mir auf einmal auch ihre Perücke fort wünschte, ihre Perücke, die ich ihr gerade eben selbst noch gereicht hatte und die mir hier in der Besenkammer noch unsinniger vorkam als sonst. Ich schloss die Augen und öffnete sie erst wieder, als Maria ihr Schluss-Adieu sang, eine kleine Verbeugung wie zu Beginn, dann war ihr Auftritt zu Ende.
    «Das war großartig», sagte ich, «das war ein großartiges Konzert.»
    Maria lächelte kurz, und schließlich umarmte sie mich. «Und Sie», flüsterte sie mir mit ihrem französischen Bühnenakzent ins Ohr, «waren ein wunderbares Publikum.»
    Sie strich mir übers Haar, und auch ich strich ihr übers Haar, das sich eigenartig kalt anfühlte, kalt und borstig, aber als ich ihr die Perücke vom Kopf streifen wollte, hielt sie sie fest.
    «Später», sagte Maria, «ich brauche sie noch einen Moment», und obwohl ich nicht recht verstand, was sie damit meinte, nickte ich und ließ von ihr ab.
    Für die Nacht hatten wir uns in ein Hotel einquartiert. Auch wenn das Zimmer gewiss keinen höheren Ansprüchen genügte, war es

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